Daten und Fakten So läuft die Zeitmessung bei der Tour de France

Düsseldorf · Mehr als zwei Tonnen Technik sind vonnöten, um beim wichtigsten Radrennen der Welt Ergebnisse zu sammeln.

Tour de France 2017: Marcel Kittel siegt hauchdünn und stellt Rekord ein
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Kittel siegt hauchdünn und stellt Rekord ein

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Foto: afp

Pascal Rossier muss bei der Vorstellung selbst ein wenig lachen. "Ja, es stimmt. Wir Zeitnehmer haben im Prinzip unsere eigene Tour de France", sagt er. Rossier ist neudeutsch "Head of Sports Operations & Services bei Swiss Timing". Die Schweizer sind verantwortlich für die Zeitmessung - und damit für Zahlen, Daten und Fakten. Wir erklären, was hinter der Zeitnahme steckt:

2,2 Tonnen beträgt das Gewicht der Ausrüstung. Darin enthalten sind Computer, Spezialdrucker, kilometerweise Kabel, drei digitale Anzeigetafeln für die Zuschauer, vier hochauflösende Zielkameras und fünf Fotozellen-Sets.

Zehn Mitarbeiter kümmern sich um die Zeitmessung - allerdings nur bei den beiden Einzelzeitfahren zum Start am Rheinufer und am 22. Juli in Marseille. Bei den restlichen Etappen aus dem Massenstart heraus reichen acht. Der Mehraufwand beim Zeitfahren resultiert aus der Bedeutung der Zwischenzeitnahmen und der Zeitmessung über Fotozellen.

3500 Kilometer Wegstrecke verteilen sich vom 1. bis 23. Juli auf die 21 Etappen. Es sind 21 Etappen, auf denen die Tour-Verantwortlichen, Athleten, Zuschauer und Medien jeden Tag dieselbe Präzision und Professionalität von Rossiers Team erwarten. "Die größte Herausforderung für die Zeitnahme bei der Tour ist die Dauer", sagt Rossier.

8 Uhr ist Dienstbeginn jeden Morgen. Und jeden Morgen beginnt am Zielort am Kontrollraum neben der Ziellinie das immer gleiche Prozedere. "Es ist ein bisschen wie ein Wanderzirkus. Wir bauen zwei Stunden lang unser Equipment auf, testen alles, und abends nach dem Rennen packen wir alles wieder ein und reisen weiter zum nächsten Zielort", erklärt Rossier. Das bedeutet: frühes Aufstehen, wenig Schlaf und Fahrten in der Nacht.

200 Transponder hat Swiss Timing im Vorfeld an den Rädern der Profis befestigt. Über Sensoren am Streckenrand, die die Profis passieren, werden Zeiten und Daten erfasst und ins Kontrollzentrum geschickt.

1000 Bilder pro Sekunde können die vier Hochgeschwindigkeitskameras liefern, die die Fotofinish-Daten schießen - schießen müssen, weil das menschliche Auge gar nicht in der Lage wäre, bei einem einrollenden Tour-Feld zu entscheiden, in welcher Reihenfolge die Fahrer ins Ziel gekommen sind. Wenn ein Fahrer dagegen beim Zeitfahren die Ziellinie überquert, rollt das Rad über Fotozellen, die ein elektronisches Messgerät auslösen. "Es ist eine Herausforderung, schnell und exakt zu sein. Aber das ist auch die Faszination des Jobs", sagt Rossier. 4253 Fotofinish-Auswertungen gab es bei der Tour im Vorjahr. Der engste je bei der Tour gemessene Zeitunterschied zwischen zwei Fahrern betrug im Ziel vier Millisekunden.

3,5 Milliarden TV-Zuschauer werden in 4700 Stunden Sendezeit bei der Tour 2017 erwartet. 4700 Stunden, die ohne die gesammelten und verarbeiteten Daten von Rossiers Team nicht auskommen. "Wir managen während der Tour ja auch die Daten, die wir gewonnen haben. Und dann bereiten wir sie in Rankings, Grafiken oder ähnlichen Infos für die Teams, die Zuschauer und die Medien auf", erklärt Rossier. Infos wie die, dass die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit bei einer Etappe mit 47,2 km/h aufgezeichnet wurde.

Doppelt hält besser Weil sich die, die die Zeit bei der Tour nehmen, keine Fehler und Pannen erlauben dürfen, ist das ganze Equipment in doppelter Ausführung vorrätig. Und natürlich ist das komplette IT-Netzwerk mit einer Notstromversorgung ausgestattet.

Die Zukunft "In der Zukunft wird es noch mehr um Live-Daten der Athleten gehen, um das sogenannte Tracking", ist sich Rossier sicher. Herzfrequenz, Tempo, Energieverbrauch - alles ist messbar, alles ist theoretisch für den Konsumenten auch live darstellbar. Wobei die Radsportler selbst nicht nur Lieferanten von Daten sind, sondern auch von ihnen profitieren sollen. "Wir tauschen uns regelmäßig mit den Fahrern und den Teams aus, um auch ihre Erwartungen und Bedürfnisse berücksichtigen zu können", sagt Rossier.

(klü)
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