"Au revoir, Poupou" Frankreich trauert um Rad-Ikone Poulidor

Berlin/Saint-Léonard-de-Noblat · Der Radsport trauert um einen seiner Größten. Frankreichs Ikone Raymond Poulidor, der ewige Zweite der Tour de France, ist tot.

Der Radsport trägt Trauer, die Grande Nation sagt einem ihrer großen Idole ein letztes Mal "Au revoir": Raymond Poulidor, der ewige Zweite der Tour de France, ist in der Nacht zu Mittwoch gegen 2.00 Uhr in seinem Wohnort Saint-Leonard-de-Noblat nahe Limoges verstorben. Das bestätigte seine Frau Gisele der Nachrichtenagentur AFP. Poulidor wurde 83 Jahre alt.

Anfang Oktober war er wegen "großer Müdigkeit" ins Krankenhaus eingeliefert worden, sein Zustand verschlechterte sich, die Klinik konnte er nicht mehr verlassen. "Er ist an diesem Morgen von uns gegangen", sagte Gisele Poulidor.

Als die tragische Nachricht am Mittwochmorgen Verbreitung fand, löste sie eine Welle der Anteilnahme aus. "Es ist ein großer Verlust, ich verliere einen großen Freund", sagte Belgiens Rad-Legende Eddy Merckx AFP und sprach von "großer Trauer". Auch Staatspräsident Emmanuel Macron meldete sich zu Wort, Poulidor würde "für immer das Gelbe Trikot in den Herzen der Franzosen" tragen.

Die Tour de France ließ auf Twitter verlauten: "Er war ein großer Champion, doch noch viel mehr als das. Die Tour wird ohne ihn nicht dieselbe sein. Wir werden dich nie vergessen, Raymond!" Der französische Radprofi Romain Bardet würdigte Poulidor als "Ikone", sein französisches Team AG2R kommentierte: "Au revoir, Poupou."

Der in Frankreich nur "Poupou" genannte Poulidor stand zwischen 1962 und 1976 acht Mal auf dem Podium der Tour de France, zuletzt als 40-Jähriger. Gewonnen hat er das Rennen nie, auch das Gelbe Trikot streifte er nie über, dennoch eroberte er die Herzen seiner Landsleute im Sturm. In seiner Heimat war er beinahe populärer als der große Bernard Hinault.

Poulidor war trotz seines fehlenden Tour-Sieges ein erfolgreicher Rennfahrer. Er gewann Mailand-San Remo, Paris-Nizza oder die Spanien-Rundfahrt, zudem gelangen dem guten Zeitfahrer und hervorragenden Kletterer sieben Siege bei Tour-Etappen.

Dennoch wurde Poulidor zum Synonym für den tragischen Helden, für einen Pechvogel, gegen den sich immer alles verschwor. Aber auch für jemanden, der das Glück nicht erzwang. Unvergessen ist das Ellenbogenduell mit seinem großen Rivalen, seinem weitaus weniger beliebteren Landsmann Jacques Anquetil, am Puy de Dome im Zentralmassiv bei der Tour 1964.

Anquetil verbarg seine völlige Erschöpfung geschickt, und Poulidor ließ sich täuschen. Zu spät ergriff er die Initiative, attackierte und nahm seinem Rivalen auf den letzten 800 Metern noch 42 Sekunden ab. Zu wenig, um Gelb zu übernehmen. Zu wenig, um Anquetil den Gesamtsieg zu entreißen.

"Vielleicht hat mir der letzte Ehrgeiz gefehlt, auch wenn ich bestimmt immer alles gegeben habe", sagte Poulidor einmal: "Aber es hat mir auch gefallen, dass mich alle mochten. Die Fans und die anderen Fahrer." Das taten sie bis zuletzt.

Sein Erbe bleibt unvergessen - und lebt im Peloton weiter. Sein Enkel, der Niederländer Mathieu van der Poel, hat seine erfolgversprechende Karriere gerade erst begonnen. Der zweimalige Cross-Weltmeister schaffte 2019 seinen Durchbruch auf der Straße, gewann im Frühjahr unter anderem das Amstel Gold Race. Van der Poel verbreitete am Mittwoch auf Instagram ein Foto, das ihn an der Seite seines Großvaters zeigt. "Immer so stolz", schrieb der 24-Jährige und fügte ein gebrochenes Herz hinzu.

(lt/sid)
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