Jens Voigt beendet Karriere Abschied mit Knall, Hoffnung und etwas Wehmut

Grenchen/München · Jens Voigt wollte mit einem Paukenschlag abtreten - und er tat es. Nach seinem Stundenweltrekord ist Schluss, es wird nicht noch einen Überraschungscoup geben.

Voigt knackt den Stundenweltrekord
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Zum Abschied posierte Jens Voigt noch einmal vor dem Ergebnis seiner letzten Großtat, schüttelte im Publikum zahlreiche Hände und verließ zu den Klängen der Popschnulze "Dust in the wind" die Radsport-Bühne. Der 43-Jährige trat mit dem spektakulären Knall ab, den er sich gewünscht hatte. Hinter dem Stundenweltrekord stehen künftig der Name Voigt und die Marke 51,115 Kilometer - zumindest bis sich die großen Zeitfahrer der Zunft daran versuchen.

"Es ist meine Hoffnung, dass ich hier den Startschuss gegeben habe und diesem wunderschönen Event neues Leben einhauche. Es ist die ultimative Stunde der Wahrheit, es gibt kein Verstecken, es gibt keine Taktik", sagte der Altmeister, der die Folgen seiner letzten Quälerei sofort zu spüren bekam: "Ich kann vor Erschöpfung kaum noch gehen. Ich wollte mich schon die Treppen rauftragen lassen."

Davor hatte der gebürtige Mecklenburger angetrieben von einem begeisterten Publikum die Expertenprognosen eindrucksvoll bestätigt. Nicht nur die hinter den Kulissen penible Planung seiner Mission zeigte ihre Wirkung, auch der gravierende Materialvorteil im Vergleich zum tschechischen Vorgänger Ondrej Sosenka (49,700 Kilometer) kam zum Tragen. Dazu demonstrierte Voigt seine viel gerühmte Leidensfähigkeit und fuhr sich in den Schlussminuten regelrecht in einen Rausch. "Ich habe gelitten wie früher bei meinen Ausreißversuchen", sagte er.

Nach seiner Rekordfahrt ließ Voigt sich dann bis in die Nacht hinein ausgiebig hochleben, bekam eine Torte garniert mit der neuen Bestmarke geschenkt und holte auch seine Geburtstagsfeier nach. "Okay, jetzt geht's schlafen", twitterte er weit nach zwei Uhr und einer rauschenden Abschiedsparty, "um sechs Uhr muss ich zum Flughafen. Der Ruhestand beginnt ziemlich hart."

"Ich bin schon etwas traurig, ich werde es vermissen"

Voigt freut sich jetzt auf mehr Zeit mit der Familie und seinen sechs Kindern in der Wahlheimat Berlin. Ein kleines bisschen Wehmut gönnte er sich aber doch, schließlich hatten wenige so wie er den Zuspruch des Publikums gesucht und genossen. "Ich bin schon etwas traurig, ich werde es vermissen", sagte Voigt, der sicher auch froh darüber ist, keine Fragen mehr zum Thema Doping beantworten zu müssen, auf die er in den letzten Monaten zumeist sehr gereizt reagiert hatte.

Sein finaler Coup soll nun möglichst den Schweizer Fabian Cancellara, den Briten Bradley Wiggins oder den dreimaligen Zeitfahr-Weltmeister Tony Martin zur Nachahmung anspornen. "Ich wünsche mir, dass sie sagen: Jetzt geben wir es dem alten Mann", meinte Voigt.

Immerhin befassen sich die drei Genannten bereits mehr oder weniger konkret mit dem Thema. "Wenn sich die großen Zeitfahrer ranwagen", sagte Martin dem sid, "dann hätten wir schöne Rahmenbedingungen für tolle Fernduelle. Ich werde sehen, wie das Thema in der Zukunft in meine Planungen passt." Voigt wäre dann den Rekord zwar wohl wieder los, doch der Eintrag in die Geschichtsbücher bliebe. Und das war es, was der Ausreißerkönig hinterlassen wollte.

(sid)
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