"Rennen kann man nicht abschotten" Radprofis haben Angst vor Terror

Der Radsport ist in Sorge: Die Anschläge von Paris und die weltweit erhöhte Terrorgefahr empfinden Fahrer als ernsthafte Bedrohung.

Tour de France: Chris Froome und seine Triumphfahrt durch Paris
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Froomes Triumphfahrt durch Paris

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Foto: afp, AG-MM

Aus dem Augenwinkel erblickte Andre Greipel die Silhouette einer Person und befürchtete das Schlimmste. "Ich habe eigentlich nur noch auf den Knall gewartet", sagte der deutsche Top-Sprinter dem SID. Beim Finale der Tour de France 2015, auf den von einer Menschenmenge gesäumten Champs-Elysees in Paris, war kurz vor Greipels viertem Etappensieg ein Zuschauer auf den eigentlich rigoros abgesperrten Prachtboulevard gelangt. Die scheinbar drohende Tragödie blieb aus, glücklicherweise.

Doch Greipels gedanklicher Reflex offenbart ein im Peloton immer intensiver diskutiertes Thema: Der Radsport ist angesichts der weltweit erhöhten Terrorgefahr in Sorge. Speziell die Straßen Frankreichs, auf denen das wichtigste Radrennen der Welt vor einem Millionenpublikum stattfindet, scheinen nach den Anschlägen von Paris ein potenzielles Ziel.

"Es wird mit anderen Fahrern darüber gesprochen. Es beunruhigt natürlich schon", sagte Tour-Etappensieger Simon Geschke dem SID am Donnerstag: "Es gab die Anschläge auf den Boston-Marathon, die Tour de France gehört da sicher auch zu den gefährdeten Veranstaltungen."

Der ASO, der Tour-Veranstalter, der auch die Rad-Monumente Paris-Roubaix und Lüttich-Bastogne-Lüttich in Belgien oder die Rundfahrt Paris-Nizza organisiert, weiß um die Gefahr. Eine fünfstellige Zahl von Sicherheitsbeamten sicherte etwa im Vorjahr die Frankreich-Rundfahrt. Auch die Planungen für die Tour 2016, die zumindest phasenweise parallel zur Fußball-EM stattfindet, laufen auf Hochtouren.

"Als Organisatoren folgen wir allen Empfehlungen der Regierung, speziell denen des Innenministeriums. Die Gendarmerie und die Polizei sind unsere besten Verbündeten", sagte Tour-Direktor Christian Prudhomme auf SID-Anfrage. Man arbeite mit den nationalen Sicherheitsbehörden an einem Sicherheitskonzept. Das wichtigste sei aber, "weiter zu leben wie bisher. Das ist die beste Antwort auf diese Art von Bedrohungen", sagte Prudhomme.

Und doch lässt sich eine Veranstaltung wie die Tour de France nicht gänzlich schützen, schon die DNA des Radsports verhindert es. Den Straßenrand säumende Fans, die ohne großen Kostenaufwand ihre Idole live erleben können, sind elementarer Bestandteil der Rennen. Legendäre Bergankünfte wie in L'Alpe d'Huez, bei denen die Zuschauer den Fahrern gern auch mal zu nah kommen, sind ein liebgewonnenes Brauchtum.

"Radsport ist zum Anfassen da", sagte etwa Greipel: "Am Ende kann man ein Radrennen nicht so abschotten wie ein Fußballspiel."

Dass im Zweifel die Sicherheit von Fans und Fahrern im Vordergrund steht, wurde im Vorjahr beim Radrennen "Rund um den Finanzplatz Eschborn-Frankfurt" deutlich. Nach der Festnahme von zwei Terrorverdächtigen war die Veranstaltung aus Sicherheitsgründen abgesagt worden. Auch in Düsseldorf, das im kommenden Jahr den Grand Depart ausrichtet, laufen im Hintergrund bereits Sicherheitsgespräche.

Trotz aller möglichen Risiken blicken Fahrer und Fans der kommenden Saison mit Vorfreude entgegen. Denn, so sieht es nicht nur Simon Geschke: "Zu Hause einschließen bringt auch nichts."

(sid)
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