Schmerzen, Dreck und Liebe Warum der Radklassiker Paris-Roubaix eine besondere Faszination hat

Düsseldorf · Am Ostersonntag wird im Norden Frankreich der Radklassiker Paris-Roubaix mit seinen Kopfsteinpflaster-Passagen ausgetragen. Es ist das vielleicht schwierigste Eintagesrennen der Saison. Mit Nils Politt will ein Deutscher vorn mitmischen. Uns erklärt er die Faszination.

 Fuhr 2019 schon auf Platz zwei bei Paris Roubaix: Nils Politt - damals noch für Katusha Alpecin.

Fuhr 2019 schon auf Platz zwei bei Paris Roubaix: Nils Politt - damals noch für Katusha Alpecin.

Foto: dpa/Dirk Waem

Die Schmerzen wirken oft auch Tage später noch nach, die Gelenke sind geschwollen, die Moral gebrochen. Und dennoch ist es Liebe, die die meisten Radsportler für dieses Rennen übrig haben. Der Frühjahrsklassiker Paris-Roubaix gilt als eines, vielleicht als das schwerste Eintagesrennen der Saison. Als wären die 257,5 Kilometer von Compiègne im Norden von Paris nach Roubaix kurz vor der belgischen Grenze nicht schon schwierig genug für die Radprofis. Nein, 30 Kilometer davon geht es über die berühmten Kopfsteinpflasterpassagen, Pavés genannt, im Norden Frankreichs.

Mit voller Geschwindigkeit brettern die Fahrer dann über dicke Steinbrocken, während der Lenker und das gesamte Rad unter ihnen nur so hin und her schlägt. Im vergangenen Jahr kam strömender Regen hinzu, der die Strecke matschig und rutschig machte. Die Bilder waren ikonischie - wie die Fahrer um den italienischen Sieger Sonny Colbrelli drecküberzogen im legendären Velodrome des Zielortes auf dem Boden lagen. Das immerhin dürfte in diesem Jahr etwas anders aussehen: Für die Austragung am Ostersonntag sind trockene und recht warme Verhältnisse angesagt.

Ein Spaßveranstaltung wird eines der fünf Monumente des Radsports neben Mailand-Sanremo, der Flandernrundfahrt, Lüttich-Bastogne-Lüttich und der Lombardei-Rundfahrt aber sicherlich nicht. Das weiß auch der Deutsche Nils Politt, der in Roubaix schon einmal Zweiter wurde. „Das ist ein Rennen, bei dem man auch mental absolut auf der Höhe sein muss. Bei kaum einem anderen Rennen kann mehr passieren, man weiß nie, wie man endet. Durch die Kopfsteinpflaster-Passagen passieren viele Stürze, viele Fahrer haben mit platten Reifen zu kämpfen, das Material wird enorm beansprucht, es wirken große Kräfte auf den Körper und das Rad“, sagte er gegenüber dieser Zeitung.

Die besondere Herausforderung „der Königin der Klassiker“ oder „der Hölle des Nordens“, wie das Rennen wahlweise genannt wird, sind die vielen Kopfsteinpflaster-Passagen, die so schwierig zu befahren sind. Es schlägt, es ist rutschig, die Reifen drehen durch, es gibt Löcher. Fahrer und die ultraleichten Carbon-Räder werden extrem beansprucht. Der Anschluss an die Spitze kann leicht verloren werden, wodurch der Kampf um den Sieg schnell beendet sein kann.

Am schlimmsten sind aber die Schmerzen in den Händen und Fingern. „Bei meiner ersten Ausgabe konnte ich den Lenker auf den letzten beiden Kopfsteinpflaster-Passagen vor Schmerzen nicht mehr in der Hand halten und die Blasen haben angefangen zu bluten“, sagt Politt, der nach dem Abgang von Superstar Peter Sagan beim deutschen Team Bora-Hansgrohe in dieser Saison mehr Freiheiten genießt und am Sonntag zum erweiterten Favoritenkreis gehört. Mit den Jahren kommt die Erfahrung, weshalb bei Paris-Roubaix Überraschungssiege selten sind.

So auch bei Politt, der die Pavé-Stücke nun routinierter fährt. „Ich habe für mich herausgefunden, dass man den Lenker lockerer halten muss, ihn in den Händen „fitschen“ lassen sollte. Dann tut es nicht so weh, wie wenn man die ganze Zeit fest zugreift“, sagt er. Zudem sei es wichtig, auf den Stücken mit normalem Belag immer wieder die Hände und Finger zu bewegen. Wer sich etwas schonen will, weicht zudem auf die Ränder der Kopfsteinpflaster-Passagen aus. Dort ist der Untergrund etwas glatter – aber sandiger. Zudem können Löcher die Fahrer extrem behindern. Für Politt gibt es daher nur eine Devise: „Direkt mittig rüber.“

Weil das allerdings die meisten Fahrer wollen, wird es ab Mitte des Rennens hektisch. Die ersten rund 100 Kilometer geht es über normale Straßen in Richtung Norden. Erst dann steht das erste von 30 Pavé-Stücken bei der diesjährigen Ausgabe an – und es geht zur Sache. „Es ist fast wie bei einem Zielsprint: Jeder will ganz vorn reinfahren“, sagt Politt und fügt an: „Paris-Roubaix ist grundsätzlich wie ein Ausscheidungsrennen im Bahnradsport. Die Gruppe wird bis zum Ende immer kleiner.“

Wenn sich Ostersonntag dann das Beton-Velodrome von Roubaix nähert, will auch Politt in der ersten Gruppe dabei sein. Nach Krankheiten zu Saisonbeginn kommt er langsam, aber sicher wieder in Form. Zudem profitiert er davon, dass das Rennen aufgrund der französischen Präsidentschaftswahl am vergangenen Wochenende um eine Woche verschoben wurde. So ist er „guter Hoffnung“, wenngleich die Topfavoriten andere sind. Aber: „Die Klassiker haben ihre eigenen Gesetze, da kann alles passieren.“

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