Tour-Verzicht für bessere Chancen Buchmann will deutsche Giro-Misere beenden und greift Podest an

Mailand · Schafft es Emanuel Buchmann beim 104. Giro d'Italia als erster Deutscher auf das Podium? Der Kletterspezialist ist zuversichtlich. Die Form stimmt, das schwere Profil macht Hoffnung. Aber die Konkurrenz ist auch sehr stark.

Emanuel Buchmann: Hoffnung auf einen deutschen Rundfahrer
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Das ist Emanuel Buchmann

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Foto: dpa/David Stockman

Den deutlich geringeren Trubel im Vergleich zur Tour de France genoss Emanuel Buchmann vor dem Start des 104. Giro d'Italia in vollen Zügen. Die Ruhe kommt dem Naturell des oft schüchtern wirkenden Kletterspezialisten des Teams Bora-hansgrohe immens entgegen. „Mir gefällt das Entspannte natürlich sehr gut“, sagte Buchmann am Freitag in gewohnt ruhigem Tonfall. Wenn die Italien-Rundfahrt an diesem Samstag in Turin mit einem Einzelzeitfahren startet, haben sich die Nettigkeiten für Buchmann aber erledigt. Der 28-Jährige will als erster Deutscher auf das Podium - mindestens.

„Ich weiß, dass ich es drauf habe, auf das Podium zu fahren. Und wenn man das kann, ist der Sieg meistens nicht weit weg“, sagte der Ravensburger. Trotz durchwachsener Ergebnisse im Frühjahr fühlt er sich bereit für den großen Coup: „Ich bin auf den Punkt fit. Wir sind genau da, wo wir zum Start des Giro sein wollten.“ Die Form sei ähnlich gut, wenn nicht sogar besser als bei der Tour de France vor zwei Jahren. Damals war Buchmann auf Platz vier gefahren.

Doch der Giro ist anders. Er gilt als härter, unbarmherziger, gefährlicher als das Konkurrenzrennen in Frankreich. „Man muss jeden Tag wachsam sein und darf keine dumme Zeit verlieren“, betonte Buchmann. Sechs Bergankünfte, darunter die brutale Kletterpartie zum Monte Zoncolan hinauf, und mehr als 47 000 Höhenmeter auf der 3479,9 Kilometer langen Route von Turin nach Mailand sind ganz nach dem Geschmack des 59 Kilogramm leichten Kletterspezialisten.

Buchmann, der gerade seinen Vertrag bis 2024 verlängert hat, will in den Dolomiten oder den Apenninen glänzen. Ohnehin haben die deutschen Radprofis bei der zweitwichtigsten Rundfahrt der Welt Nachholbedarf. Jan Ullrich nutzte das Rennen einst maximal als Vorbereitungsrennen auf die Tour. Und nach seinem Sieg im Einzelzeitfahren 2006 brachte unter anderem ein Anruf seines Mentors Rudy Pevenage bei Eufemiano Fuentes die Ermittler auf die Verbindungen zum spanischen Dopingarzt.

Die besten deutschen Platzierungen waren zwei fünfte Plätze von Kurt Stöpel (1932) und Dietrich „Didi“ Thurau (1983). Das sollte Buchmann nach Meinung des früheren Giro-Bergkönigs Fabian Wegmann übertreffen. „Ich traue Buchmann auch durchaus den Sieg zu. Aber dann muss wirklich alles passen“, sagte der dreimalige deutsche Meister dem Internetportal t-online und betonte: „Die Chancen, dass Emanuel Buchmann auf dem Podium landet, stehen auf jeden Fall sehr gut. Er hat sich sehr akribisch vorbereitet und wenn er gesund bleibt, kann er dort auch landen.“

Die Konkurrenz ist aber beachtlich. Der Kolumbianer Egan Bernal, immerhin Tour-Champion von 2019, steht am Start. Mache der Rücken keine Probleme, werde er das Rosa Trikot ins Visier nehmen, sagte Bernal. Auch das belgische Wunderkind Remco Evenepoel gibt fast neun Monate nach seinem Beckenbruch bei der Lombardei-Rundfahrt ein Comeback. Zwei Fahrer, denen vor nicht allzu langer Zeit nachgesagt wurde, dass sie die großen Siege im Radsport unter sich ausmachen werden. Bis ein gewisser Tadej Pogacar, Toursieger 2020, plötzlich die Bühne betrat.

Dazu haben sich weitere starke Rundfahrer angesagt wie der Vorjahreszweite Jai Hindley (Australien), der Ex-Giro-Dritte Mikel Landa (Spanien) oder der Brite Simon Yates, immerhin Vuelta-Champion von 2018. Nicht zu vergessen der italienische Altmeister Vincenzo Nibali. „Sehr starke Konkurrenz“, betonte Buchmann, der sich in den vergangenen Wochen in der Höhenluft der Sierra Nevada vorbereitet hat. Sein Teamchef Ralph Denk ist optimistisch. „Was die Trainingswerte zeigen, ist er gut im Plan. Emanuel hat schon bewiesen, dass er sich im Training sehr gut vorbereiten kann. Dass er nicht so viele Rennen braucht, um auf höchstem Level zu sein“, sagte Denk jüngst der dpa.

Für den ganz großen Coup muss sich Buchmann aber auch in den ungeliebten Zeitfahren am ersten und letzten Tag sowie auf rund 34 Kilometern über staubige Schotterpisten in der Toskana - in Anlehnung an das Rennen Strade bianche - beweisen. Wie hart es dann im Juli sei, als TV-Zuschauer die Tour zu verfolgen, „hängt wohl auch mit meinem Resultat beim Giro zusammen“, sagte Buchmann, der anschließend die Olympischen Spiele ins Visier nehmen will.

(dör/dpa)
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