Radsport-WM in Richmond Degenkolb nur 29. — Sagan gewinnt

Richmond/Virginia · Radprofi John Degenkolb verschwand mit betretener Miene im deutschen Teamcamper und musste sich erst einmal sammeln. Der Ärger saß tief beim frustrierten Hoffnungsträger. Nach einem knüppelharten und über sechs Stunden langen WM-Straßenrennen gab es für den 26-Jährigen nicht den erhofften historischen WM-Coup, sondern eine schmerzhafte Niederlage.

John Degenkoln verpasst bei Sieg von Peter Sagan WM-Titel deutlich
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Degenkolb verpasst Titel deutlich

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Zum Abschluss der Titelkämpfe im amerikanischen Richmond/Virginia verließen Degenkolb gerade in dem Moment die Kräfte, als es darauf kam. "Die Enttäuschung ist ziemlich groß. Ich habe mein Bestes gegeben, am Ende war es leider nicht genug", sagte Degenkolb, nachdem er nur auf Rang 29 gekommen war. Statt 49 Jahre nach Rudi Altigs Triumph am Nürburgring die Durststrecke endlich zu beenden, muss der deutsche Radsport weiterhin auf einen neuen Straßenweltmeister warten.

Gold ging an den Slowaken Peter Sagan (25), der seinen Angriff besser timte als Degenkolb und seine ganze Cleverness ausspielte. "Ich hatte genug von zweiten Plätzen", sagte Sagan, der seit langem einen Tour-de-France-Tagessieg jagt und dabei fast unzählige Male nur Zweiter geworden war. Im Ziel ließ sich der Publikumsliebling ausgiebig feiern.

Der Wahl-Frankfurter Degenkolb hätte mit dem WM-Gold eine grandiose Saison gekrönt, nachdem er im Frühjahr bereits die Klassiker Mailand-Sanremo und Paris-Roubaix gewonnen hatte. "Trotzdem denke ich, dass ich ein super Rennen gefahren bin, ich war immer mit dabei und auch die Mannschaft war superstark", sagte Degenkolb, der sich nach dem Rennen von Frau Laura und Söhnchen Leo Robert trösten ließ.

Nach 261,4 km und 6:14:37 Stunden fand auch der Kampf um Silber und Bronze, die an Michael Matthews (Australien) und Ramunas Navardauskas (Litauen) gingen, ohne den entkräfteten Degenkolb statt, der am Anstieg zur Zielgeraden einbrach. Sagan genoss dagegen die letzten Meter und rollte solo zu seinem ersten WM-Titel.

Degenkolb war in der Schlussrunde am Libby Hill eine Attacke des Tschechen Zdenek Stybar mitgegangen und schien in einer perfekten Position zu sein. Doch die Verfolger schlossen wieder auf und als auch Sagan an der giftigen 23rd Street beschleunigte, konnte der deutsche Kapitän das Hinterrad nicht halten. "Ich habe danach den Fehler gemacht, zu nervös zu werden und bin dafür bestraft worden", sagte Degenkolb, der den Rückstand zu schnell wieder aufholen wollte.

Maßgeblich auf dem klassikerähnlichen Kurs war die Position an den Schlüsselstellen, gerade an den Pflasterpassagen, wie dem von Tausenden Radsport-Fans aus aller Welt gesäumten Libby Hill. Zumal das Tempo schon weit vor dem Finale verschärft wurde und an den insgesamt drei giftigen Steigungen am Ende des Rundkurses taktische Fehler nur noch schwerlich zu korrigieren waren. Deshalb war Degenkolb dort oft an der Spitze auszumachen.

Einige Mannschaften hatten erwartungsgemäß kein Interesse, die deutsche Taktik zu unterstützen. So legten die Niederländer von Beginn an einen relativ hohen Rhythmus vor, um die Konkurrenz zu schwächen. Auf eine Attacke lauerten auch Titelverteidiger Michal Kwiatkowski aus Polen und die starken Belgier. Die Auswahl des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) war aber zunächst wachsam, doch die Energie schwand.

Vor allem durch seine Triumphe in der "Hölle des Nordens" und in Sanremo hatte sich Degenkolb zu einem der großen Favoriten aufgeschwungen - und sein Formaufbau hin zum letzten Saisonhöhepunkt passte auch. Mit einem Sieg auf der letzten Etappe der Vuelta in Spanien tankte er vor 14 Tagen noch einmal Selbstvertrauen. Das hatte Andre Greipel auch. Im besten Jahr seiner Karriere ordnete sich der Rostocker aber unter und verzichtete auf seine Chance. Plan A mit Degenkolb sollte aufgehen.

Das BDR-Team wollte keinesfalls unnötig taktieren, sondern auf Angriff fahren. "Ich versuche, 'All in' zu gehen. Ich brauche keine Körner zu sparen oder auf irgendwas zu warten. Ich darf keine Angst davor haben, zu verlieren", hatte Degenkolb dem SID gesagt. Das Regenbogentrikot hatte er als "einen Lebenstraum, einen Kindheitstraum" bezeichnet. Auf dessen Erfüllung muss Degenkolb nun weiter warten.

(sid)
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