Tour de France Greipel bangt um seine Tour-Form

Köln · André Greipel könnte als erst vierter Radprofi in der Geschichte der Tour de France bei sieben Teilnahmen in Folge eine Etappe gewinnen. Doch ausgerechnet jetzt kämpft Deutschlands bester Sprinter mit den Nachwehen eines Infekts.

Tour de France: André Greipel sprintet zum Etappensieg in Paris
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Greipel sprintet zum Etappensieg in Paris

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Foto: afp

Artur Tabat ist 75 Jahre alt. Seit 1971 organisiert er das Radrennen "Rund um Köln". So auch die 101. Auflage am vergangenen Sonntag. Deswegen und weil der Kölner an sich bekanntlich stets das Herz auf der Zunge führt, war der Österreicher Gregor Mühlberger als diesjähriger Sieger Tabat auch nicht böse, als der ihn in den Arm nahm und sagte: "Einen besseren Sieger können wir nicht haben. Na gut, ich hätte natürlich auch gern den André Greipel vorne gesehen, aber nach der Krankheit wusste ich, dass das nicht geht."

Besagter Greipel saß in diesem Moment schon längst im Mannschaftsbus. Als 76. war er mit dem Hauptfeld ins Ziel gekommen. Mehr war aus dem von einem Infekt geschwächten Körper nicht herauszuholen. Die Geschichte vom Lokalmatador aus Hürth, der erstmals sein Heimrennen gewinnt - sie war nicht zu schreiben. Doch für Deutschlands besten Sprinter geht es in den kommenden Wochen um mehr als darum, die Enttäuschung von Rund um Köln zu verarbeiten. Es geht darum, rechtzeitig zum Tour-Start in Düsseldorf wieder in Form zu kommen.

Denn es könnte für Greipel eine große Schleife in die Geschichtsbücher des Radsports werden. Als erst vierter Radprofi in der seit 1903 andauernden Geschichte der Tour de France könnte der gebürtige Rostocker bei sieben aufeinanderfolgenden Teilnahmen eine Etappe gewinnen. Einzig der Franzose André Darrigade war zwischen 1955 und 1964 zehn Jahre in Serie erfolgreich. Sein Landsmann André Leducq kam zwischen 1927 und 1933 genauso auf sieben Jahre mit Tagessieg wie der Spanier Miguel Indurain zwischen 1989 und 1995. Hinzu kommt: Ein Etappensieg bei der Tour 2017 ließe Greipel mit Erik Zabel gleichziehen, der mit zwölf Erfolgen die meisten eines deutschen Radprofis vorweisen kann. Es ist also einiges möglich für Greipel, wenn denn sein Körper wieder einiges möglich werden lässt. "Das ist der blödeste Moment, um krank zu werden. Ich muss jetzt das Beste daraus machen, die Krankheit aussitzen und die richtigen Dinge machen", sagte er, nachdem ihn über Pfingsten das Fieber ("zum ersten Mal in meinem Leben") drei Tage lang ans Bett gefesselt und eine bis dato erfolgreiche Tour-Vorbereitung mit seinem belgischen Lotto-Soudal-Team zurückgeworfen hatte.

Greipel fuhr stark im Frühjahr und insgesamt vier Siege ein. Danach gewann er beim 100. Giro d'Italia die zweite Etappe und rollte so einen Tag lang im Rosa Trikot des Gesamtführenden. Er ist mit sieben Tageserfolgen ganz nebenbei auch deutscher Giro-Rekordetappensieger. Quasi perfekt sei die Saison bisher gelaufen, sagte er. Doch dann kam das Fieber, und der Start in Köln, den er gegen den ursprünglichen Plan seiner Teamleitung durchgesetzt hatte, wurde zum Tag des Leidens. Aber der "Gorilla" ist keiner, der lamentiert. "Mein Körper bekommt jetzt etwas mehr Ruhe, und vielleicht ist dann sogar noch ein gutes Training möglich. Ich höre auf mein Inneres und schaue, was geht", sagte er. Und dass bei 21 Etappen immer die Chance auf einen Tagessieg da sei. Form hin oder her. 2016 musste er auch bis zum Schlusstag warten, ehe er seinen Etappensieg feiern konnte - dafür aber prestigeträchtig auf den Champs-Élysées. "Sprinten kann ich immer", versicherte er.

Eine Woche vor dem Grand Départ in Düsseldorf will Greipel in Chemnitz seinen Deutschen Meistertitel auf der Straße verteidigen. Es wäre sein vierter Titel in den vergangenen fünf Jahren. Das Rennen soll in jedem Fall eine aussagekräftige Generalprobe sein dafür, was die Beine hergeben. Zum Tour-Start selbst will Greipel übrigens die 50 Kilometer aus Hürth ganz stilecht anreisen: mit dem Rennrad. Seine Frau, so ist der Plan, bringt das Gepäck mit dem Auto ins Teamhotel. Im Gepäck hat Greipel auch eine Warnung an die Konkurrenten, die womöglich darauf hoffen, mit fast 35 Jahren lägen die schnellsten Tage hinter ihm. "Ich werde nicht jünger", sagte er. "Aber auch nicht langsamer."

(klü)
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