Deutscher Spitzensport Ein Analysesystem revolutioniert den deutschen Sport

Potsdam · Es ist passiert. Mit der umstrittenen Potenzialanalyse wurden die ersten Spitzenverbände im deutschen Sport evaluiert. Die große Reform kommt tatsächlich in Schwung.

 Eisschnelläuferin Judith Dannhauer nach dem Olympia-Rennen in Südkorea. (Archivfoto)

Eisschnelläuferin Judith Dannhauer nach dem Olympia-Rennen in Südkorea. (Archivfoto)

Foto: dpa/Peter Kneffel

PotAS - der Begriff hat im deutschen Spitzensport lange Angst und Schrecken verbreitet. Die sogenannte Potenzialanalyse ist Herzstück der Reform, mit der Deutschland bei Olympischen Spielen wieder zu einer Top-Nation werden soll. Die sieben Wintersportverbände wurden jetzt evaluiert - und haben offenbar gut mitgespielt.

"Es gab Widerstände auf dem Weg dorthin", räumte Urs Granacher ein. Der Vorsitzende der PotAS-Kommission stellte im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst aber auch fest: "Wenn man jetzt die Rückmeldungen der Wintersportverbände aus dem Anhörungsverfahren auswertet, kann man ein positives Fazit ziehen."

Granacher (44), der die in Köln ansässige Kommission von Potsdam aus leitet, musste mit dem Startschuss im vergangenen Jahr viel Kritik einstecken. Einigen Verbänden sei PotAS wie "ein Frühjahrsputz" vorgekommen, dem "man sich jetzt mal unterziehen müsse". Mittlerweile aber hätten viele Funktionäre erkannt, dass das System im Sinne des Qualitätsmanagements "notwendig ist".

Alte Strukturen sollen geändert werden

Die Kritik war groß, der aufgeblasene Wasserkopf PotAS verschlinge allein Unsummen für Personal, hieß es. Das sei nicht so, wehrt sich Granacher. Derzeit beschäftige die Geschäftsstelle in Köln gerade mal drei Mitarbeiter, am Ende werde man "maximal sechs Mitarbeiter dort haben".

Granacher war überrascht, dass die alten Strukturen im Sport seit Jahrzehnten unverändert geblieben waren, zumal heutzutage ständig und alles evaluiert werde. "Ich glaube nicht, dass man das Rad noch einmal zurückdrehen kann", sagt der Sportwissenschaftler, der in Zukunft die Verbände alle vier Jahre auf den Kopf stellen will.

Bis zum 22. Mai mussten alle sieben Wintersportverbände 151 Fragen zu ihren 37 Disziplinen beantworten. Die Kommission wollte wissen, wo die Talente lauern, wie sie gefördert werden, wie wissenschaftliche Erkenntnisse genutzt werden. Nun ist alles im Kasten, und die Auswertung kann beginnen.

Anfang des Monats führte Granacher in München mit den Verbänden nochmals mehrstündige Gespräche, notierte Kritik und Anregungen. Ab dem 15. Juli startet die Überarbeitungsphase, alles wird immer wieder überprüft, das ist Teil des Systems. "Der Aufwand für eine Evaluierung ist beim ersten Mal natürlich besonders groß", räumte der frühere Bundesliga-Judoka (Freiburg) ein, versprach aber Besserung, "weil die "Fragen ja bekannt sind."

Wenn die Daten aufbereitet sind, werden die Strukturgespräche unter dem Vorsitz des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) geführt, zudem tagt die Förderkommission unter Leitung des Bundesinnenministeriums (BMI). Bis Ende September werden dann die Disziplinen der sieben Verbände mit Blick auf die nächsten Olympischen Winterspiele in Peking 2022 in drei Cluster aufgeteilt, nach denen sich die Förderung richtet. Damit unterliege die Reform der größtmöglichen Kontrolle und Objektivität, sagen ihre Erfinder.

Olympia-Medaillen allein sind nicht mehr ausschlaggebend

Bislang wurde stets geschaut, wie viele Medaillen beispielsweise bei den vergangenen Olympischen Spielen im Eisschnelllauf oder im Biathlon geholt wurden, und danach das Geld ausgeschüttet. Nun richtet sich die Förderung nach dem Potenzial. "Wir können mit diesen Daten nicht den Olympiasieger von morgen entwickeln", sagt Granacher, man könne aber "die Wahrscheinlichkeit für sportlichen Erfolg erhöhen."

Angestoßen wurde die Reform noch unter dem alten Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, der 30 Prozent mehr Medaillen bei Großevents forderte. Zudem stellte der Bundesrechnungshof fest, dass die Bundesmittel für den Sport von knapp 170 Millionen Euro pro Jahr nicht nach objektiven und transparenten Kriterien vergeben wurden.

Mittels der Reform soll alles besser werden und nebenbei auch noch mehr Geld beim Bund locker gemacht werden. Knapp 20 Millionen Euro sind für 2018 im Gespräch, für 2019 liegt der Mittelaufwuchs bei 30 Millionen Euro. Am nächsten Mittwoch fällt fürs laufende Jahr die Entscheidung im Parlament. Granacher: "Alle Player der Reform sind sich einig, dass wir langfristig mehr Geld für den Spitzensport benötigen."

(rent/sid)
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