Deutscher Funktionär vor 26. Olympia-Teilnahme Zum 85. will Walther Tröger seinen Rekord feiern

Sotschi · Walther Tröger hat den Sport beeinflusst wie kaum ein anderer deutscher Funktionär. Am Dienstag feiert er seinen 85. Geburtstag - natürlich in Sotschi.

 IOC-Ehrenmitglied Walther Tröger (rechts), hier im Gespräch mit dem hessischen Innenminister Peter Beuth (links) und DOSB-Präsident Alfons Hörmann, erlebt bald seine 26. Olympischen Spiele.

IOC-Ehrenmitglied Walther Tröger (rechts), hier im Gespräch mit dem hessischen Innenminister Peter Beuth (links) und DOSB-Präsident Alfons Hörmann, erlebt bald seine 26. Olympischen Spiele.

Foto: dpa, Arne Dedert

Die fünf Ringe lassen Walther Tröger auch an seinem 85. Geburtstag nicht los. "Natürlich", sagt er, verbringe er seinen Ehrentag am Dienstag in Sotschi, "ich will mir meinen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde sichern". Die Spiele in Russland sind seine 26., bei denen er als Funktionär vertreten ist. "Das hat keiner vor mir und wird wohl auch niemand nach mir mehr schaffen", sagt er stolz.

Innsbruck 1964 waren seine ersten Spiele, er erlebte sie als stellvertretender Chef de Mission und Organisationschef "West", als Verbindungsmann zum "Ostteil" des Teams. Heute ist er eines von 35 Ehrenmitgliedern des Internationalen Olympischen Komitees.

"Ich werde Sotschi genießen", sagt er, "als Teilnehmer ohne Pflichten, aber mit Privilegien." Das bedeutet eine Suite im IOC-Hotel, freien Zugang zu allen Wettkämpfen, Limo-Service, das volle Luxus-Programm. "Das war bis jetzt ein rundum spannendes Leben", sagt Tröger.

Das Leben des Sportfunktionärs Tröger begann 1951 als Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverbandes, er war Vize-Präsident des Deutschen Basketball Bundes und ab 1961 Generalsekretär des Nationalen Olympischen Komitees (NOK). 1989 trat er als IOC-Mitglied die Nachfolge von Berthold Beitz an, schon seit 1983 saß er aber als Sportdirektor des Ringeordens (bis 1990) an den Schalthebeln.

Er war Mitglied in einem knappen Dutzend IOC-Kommissionen und hatte auf der 121. Session 2010 in Kopenhagen ein letztes Mal Stimmrecht, bevor er Ehrenmitglied wurde. "Was Sport angeht, hat Juan Antonio Samaranch auf Walther Tröger gehört", sagte IOC-Präsident Jacques Rogge einst.

Der Sportfunktionär Tröger war ein Mann der Basis und ein Freund der Sportler. Achtmal (1976 bis 2002) führte er eine deutsche Mannschaft bei Winterspielen in seiner Lieblingsrolle als Chef de Mission an. Die Sommerspiele von München 1972 zählt er zu seinen tollsten Erlebnissen - "wenn man, was natürlich schwer ist, den Terror außer Acht lässt".

Tröger war damals Bürgermeister des Olympischen Dorfes und an allen Verhandlungsrunden mit den palästinensischen Terroristen beteiligt, die Mitglieder der israelischen Delegation gefangen genommen hatten. Noch vier Jahrzehnte danach liefert der pragmatische, analytische, scharfe Denker Tröger eine erschütternd klare Analyse der Schreckensstunden.

"Ich bin damals in den Verhandlungen mit den Terroristen zu der klaren Erkenntnis gekommen, dass ich nichts mehr ausrichten konnte. Ich hatte nur noch zu funktionieren. Eine gewaltsame Konfrontation war unausweichlich", sagte er. Am Ende starben 17 Menschen.

Für den Macher des Sports war München nicht das Ende. Alleinherrscher wie zuletzt Thomas Bach war Tröger in Deutschland nie, was vor allem an der Teilung in DSB und NOK lag - und an seinem großen Gegenspieler Manfred von Richthofen, der am Sonntag 80 Jahre alt wird.

1996 wehrte Tröger als NOK-Präsident erfolgreich den Versuch von DSB-Präsident von Richthofen ab, Deutschen Sportbund und Nationales Olympisches Komitee zusammenzuführen. Im Rahmen der dann doch erfolgten Fusion 2006 trat er erneut als Verfechter der Eigenständigkeit auf. Einige weitere große Niederlagen musste Tröger in seiner Karriere verkraften.

1992 verpasste er den angestrebten Einzug in die IOC-Exekutive, 2002 verlor er die Kampfabstimmung um das Präsidentenamt im NOK gegen den vom Richthofen-Lager aufgebauten Klaus Steinbach. "Ich habe mich deshalb nicht vor Gram vergraben. Bei Wahlen muss man immer mit Niederlagen rechnen", sagt er.

Bis heute hat sich Tröger, der aus dem oberfränkischen Wunsiedel stammende Jurist, seinen Pragmatismus bewahrt. Die Krise der Olympischen Spiele, die mehr denn je von Gigantismus geprägt sind und nach wie vor enormen politischen Einflüssen unterliegen, sieht er so nüchtern, wie es nur geht: "Das sind natürlich nicht mehr die Spiele, wie ich sie mir idealerweise vorstelle. Aber so, wie sie sind, sind sie ein Spiegel unserer modernen Gesellschaft - sie könnten also kaum besser sein."

(sid)
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