Russlands Präsident im Oranje-Fieber Wladimir Putin stößt mit König Willem Alexander an

Sotschi · Die hohen Herren geben sich im Holland-Haus von Sotschi zum Gratulieren derzeit die Klinke in die Hand. Die Eisschnellläufer aus den Niederlanden räumen bei Olympia ab – und stehen vor einem historischen Triumph.

Prost, Putin!
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Foto: afp, ski

Die hohen Herren geben sich im Holland-Haus von Sotschi zum Gratulieren derzeit die Klinke in die Hand. Die Eisschnellläufer aus den Niederlanden räumen bei Olympia ab — und stehen vor einem historischen Triumph.

Selbst Wladimir Putin hat das Oranje-Fieber erfasst. Nach dem Sieg von Ireen Wüst bei den Olympischen Winterspielen von Sotschi stattete der Kreml-Chef dem Holland-Haus kurzerhand einen Besuch ab und klopfte der überraschten Eis-Königin auf die Schulter.

"Er gratulierte mir und fragte, ob für mich in Russland alles nach Wunsch sei", berichtete Wüst über die Begegnung mit dem Überraschungsgast der Party nach ihrem 3000-m-Triumph: "Er war glücklich, mich zu sehen. Und dann musste er schnell wieder fort", sagte Wüst.

Am Samstagabend hatte bereits Thomas Bach dem Holland-Haus eine Stippvisite abgestattet. Der IOC-Präsident wollte dem siegreichen 5000-m-Trio Sven Kramer, Jan Blokhuijsen und Jorrit Bergsma gratulieren. Allerdings waren die Athleten nicht anwesend, Bach musste unverrichteter Dinge wieder gehen.

Die "hohen Herren" stehen derzeit Schlange, um den Kufenstars aus Holland zu gratulieren. "Oranje" ist am Schwarzen Meer hip. "Orange scheint größer zu sein als auf der Landkarte", sagte Claudia Pechstein, die über 3000 m als Vierte die Übermacht des kleinen Nachbarn hautnah zu spüren bekam.

Die Kufenstars rocken die Adler Arena und stehen vor einem historischen Triumph. Noch einmal Gold in Sotschi, und man würde in der "ewigen" Olympia-Eisschnelllauf-Rangliste mit 30 Olympiasiegen die alleinige Führung vor den USA übernehmen, die in Russland nicht ansatzweise mit Oranje mithalten können.

Dabei fällt auf, dass die Amerikaner bereits seit 1924 Top-Platzierungen einfuhren, die Niederlande aber erst seit 1968. Oranje ist eine recht junge Eisschnelllauf-Nation, was die Stärke in den letzten Jahrzehnten umso mehr unterstreicht. Als Ursprung der Leistungsexplosion gilt der Bau der ersten 400-m-Kunsteisbahnen in den 1960er Jahren. Fortan musste die Elite zum Eistraining nicht mehr ins kalte Norwegen reisen.

Der Königlich Niederländische Eissportverband KNSB profitiert davon, dass die Niederlande weltweit die einzige Nation sind, in der Eisschnelllaufen in allen Gesellschaftsschichten als Freizeit-, Breiten- und Hochleistungssport wahrgenommen wird. Da Berge fehlen, ist es die einzige bedeutende Wintersportart des Landes. Bei Frost im Winter sind auf den zugefrorenen Seen und Kanälen Hunderttausende Eisläufer unterwegs.

Der KNSB hat 150.000 Mitglieder. 15.000 haben eine Wettkampflizenz, 50 Prozent von ihnen sind jünger als 18 Jahre. Nachwuchssorgen wie die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG), die gerade mal auf knapp 1200 Mitglieder kommt, kennen sie in Holland nicht.

Auch der König weiß um die Bedeutung des Sports. Bei jedem Rennen sitzt Willem-Alexander in Sotschi auf der Tribüne und feuert mit Ehefrau Maxima die Nationalhelden an. Ministerpräsident Mark Rutte ist ebenfalls vor Ort, vor der Reise hatte er getönt: "Die Spiele werden keine Putin-Show, sondern eine Kramer-Show."

Nach dem ersten Wochenende haben die Eis-Cracks Oranje sogar Platz zwei in der Nationenwertung hinter der Wintersport-Großmacht Norwegen beschert. Die Euphorie daheim ist riesig, die größte niederländische Tageszeitung "De Telegraaf" erschien am Montag mit einem Goldrand und 13 Sonderseiten zu Sotschi.

Vier Eisschnelllauf-Medaillen sind es bisher, elf sollen es werden. Kramer und Wüst wollen mit jeweils drei Goldmedaillen die Heimreise antreten. Die Erwartungshaltung ist riesig. Gerade ihr Cheftrainer Gerard Kemkers wird nicht müde, darauf sehr deutlich hinzuweisen: "Auf ihnen lastet der Druck einer ganzen Nation. Sie sind das Rote Tuch, dem der Stier nachjagt. Sie sind Helden."

(sid)
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