TV-Kritik zu den Winterspielen in Peking ARD und ZDF nutzen die Bühne Olympia für wichtige kritische Beiträge

Analyse | Düsseldorf · Vor den Winterspielen war die Kritik an Gastgeber China groß. Dennoch begeistern die sportlichen Erfolge nun die Fans. Die TV-Sender schicken die Bilder von strahlenden Siegern in die Welt. Doch sie vergessen auch die Missstände nicht und verschaffen ihnen so eine große Öffentlichkeit.

Eröffnung der 24. Winterspiele: Das Olympische Feuer ist entzündet
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Das Olympische Feuer ist entzündet

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Foto: dpa/Michael Kappeler

Olympische Spiele sollen unpolitisch sein, so will es die Charta des Internationalen Olympische Komitees (IOC). Die Realität ist indes eine andere. Die Winterspiele 2022 finden in China statt. Einem Staat, der für Menschenrechtsverletzungen an der muslimischen Minderheit der Uiguren, für seinen Umgang mit Taiwan und Hongkong, die Überwachung seiner Bürger und fehlende Meinungsfreiheit kritisiert wird. Der das Großereignis für seine Staatspropaganda nutzt.

Statt finden die Winterspiele dennoch und die erste Woche hat gezeigt, dass der Sport trotz der politischen Lage die Menschen begeistert. Dass die Aktiven das Event genießen, sofern sie nicht in der Quarantäne festhängen, und für ihre Erfolge und Leistungen gefeiert werden.

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Zeitplan der Olympischen Winterspiele in Peking 2022

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Foto: dpa/Zhang Tao

Die TV-Sender, auch in Deutschland, transportieren die Bilder von strahlenden Olympiasiegerinnen und -siegern, von freiwilligen Helfern, die immer zuvorkommend lächeln und die Sportler aufmuntern und anfeuern. Von rührenden Olympia-Momenten, wenn der Sieger 20 Minuten auf den Außenseiter wartet oder Konkurrenten sich gegenseitig feiern.

Das ist auch richtig. Für die Teilnehmer ist Olympia der Höhepunkt ihrer Karriere. Viele haben nur einmal im Leben die Chance, daran teilzunehmen. Sie arbeiten teils ihr ganzes Sportlerleben, mindestens aber die vergangenen vier Jahre auf diese Chance hin.

Unabhängig von jeglicher politischen Kritik an den Spielen in China, dürfen die Athletinnen und Athleten in der Berichterstattung nicht zu kurz kommen. Sie sollten mit ihren Erfolgen im Zentrum stehen dürfen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Nichtsdestotrotz ist es ebenso wichtig, dass die Kritik, die menschlichen Schicksale und die Missstände bei aller Sportbegeisterung nicht in Vergessenheit geraten. Gerade wegen des Millionen-Publikums bei Olympischen Spielen ist es wichtig, dass auch darüber berichtet wird. Dass die Rolle des deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach, der Umgang mit Kritikern und Journalisten thematisiert wird. Dass die Propaganda der Organisatoren nicht unkommentiert bleibt.

Olympia 2022 Peking: Medaillenspiegel der Olympischen Winterspiele 2022
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Der Medaillenspiegel der Olympischen Winterspiele

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Foto: FOTO: IMAGO | GRAFIK: C. SCHNETTLER

Den TV-Sendern in Deutschland gelingt dieser Spagat bisher gut. Neben dem reinen Sportsender Eurosport teilen sich die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF die Übertragung. Bis zu 16 Stunden am Tag berichten sie live aus ihrem gemeinsamen Olympia-Stadion in Mainz von den Spielen. Berichte, Reportagen und Interviews über die politische Situation in China sowie sportpolitische Hintergrundberichte sind jeden Tag Bestandteil der Übertragungen. Hajo Seppelt, Experte für Sportpolitik und Doping bei der ARD, beobachtet die Entwicklung während der Spiele und die Rolle des IOC. In dieser Funktion ist er immer wieder als Gesprächspartner im Studio in Mainz.

Das ZDF hat sich für die unterschiedlichen Themen jeweils Experten als Gesprächspartner gesucht. So erklärte zum Beispiel Kristin Shi-Kupfer, Professorin für Sinologie an der Universität Trier, zwischen zwei Medaillenentscheidungen Chinas Umgang mit Taiwan. In einem anderen Beitrag kommt eine Uigurin zu Wort, die in China selbst in ein Umerziehungslager musste und inzwischen das Land verlassen hat. Der Menschenrechtler Wenzel Michalski von Human Rights Watch begleitete beim ZDF die Eröffnungsfeier. Das sind nur einige Beispiele für die Integration von politischen Einordnungen während der Olympia-Übertragungen.

Olympia 2022: Corona-Maßnahmen - PCR-Tests, Blase, Quarantäne
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Corona-Maßnahmen bei den Winterspielen in Peking 2022

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Foto: dpa/Andy Wong

Sportfans, die einen Großteil der Berichterstattung verfolgen, werden am Ende einen guten Überblick über die Missstände in China bekommen haben. Wer nur ab und zu einschaltet, bekommt immerhin den Eindruck der Reporter und Kommentatoren vor Ort geschildert – ob er nun bei Eurosport, ZDF oder ARD schaut. Denn auch diese sprechen immer wieder die kritischen Punkte an: die Beschränkung der eigenen Arbeit, fehlende Wintersporttradition, chinesische Staatspropaganda oder etwa die fragwürdige Umweltbilanz der Winterspiele in Peking.

Die Korrespondenten von ARD und ZDF sind ebenfalls fester Bestandteil der Sendungen. Sie berichten, wie dort die Winterspiele aufgefasst werden oder wie weit es mit der Wintersportbegeisterung her ist. Und sie ordnen zum Beispiel ein, warum die Gesprächspartner vor laufender Kamera patriotisch die Nationalhymne bei der Eröffnung der Spiele mitsingen. Die Staatspropaganda wird nicht einfach ungefiltert weitergegeben. Das muss man mindestens von den öffentlich-rechtlichen Sendern auch erwarten.

Der Umfang, in dem sich die Sender kritisch mit den Winterspielen und China auseinandersetzen, mag einigen vielleicht nicht ausreichend erscheinen, ist ihr Anteil doch deutlich geringer als der sportliche Teil. Doch die Wirkung sollte nicht unterschätzt werden. Immerhin nehmen die Gespräche und Reportagen einen prominenten Platz in den Sport-Übertragungen ein. Damit erreichen diese Themen wohl ein so großes und vielfältiges Publikum wie nie zuvor.

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