Paralympics Braxenthaler — der Goldjunge von Whistler

Vancouver (RP). Martin Braxenthaler könnte bei diesen Paralympischen Spielen auf dem sportlichen Olymp ankommen. Im Slalom und im Riesenslalom holte er bereits Gold, drei weitere Male geht der Mechaniker in Vancouver noch ins Rennen.

 Martin Braxenthaler bei der Siegerehrung in Vancouver.

Martin Braxenthaler bei der Siegerehrung in Vancouver.

Foto: KEYSTONE, AP

Manch einer fragt sich schon, was Martin Braxenthaler nervös machen kann. Regen, Nebel, heftiger Wind oder herumfliegende Absperrungen sind es jedenfalls nicht. Zwei Starts — zwei Goldmedaillen sprechen für sich. Der Oberbayer fuhr auf Maria Rieschs olympischem Goldhang nach dem Slalom auch im Riesenslalom zum Sieg — unbeeindruckt von irgendwelchen Wetterkapriolen.

Bei schlechtem Wetter packt er eben ein paar Klamotten mehr ein. Vier Skibrillen, vier Paar Handschuhe und zwei Garnituren Kleidung habe er zum Start mitgenommen, um im "Schneesumpf" von Whistler bestehen zu können. Braxenthaler ist eben einer, der nichts dem Zufall überlässt, der stets konzentriert ist und alles riskiert, weil er keine halben Sachen mag und "vierte Plätze bei Olympia eben nicht wünschenswert sind". In beiden Rennen dieser Spiele war er bloß als Zweitplazierter in den entscheidenden Durchgang gestartet. Aber ausruhen auf Silber, "das kommt gar nicht in Frage".

"200 Prozent Ausbeute"

Braxenthaler, seit 1994 nach einem Arbeitsunfall querschnittsgelähmt, ist ein Vorzeige-Athlet, der emsig für sich wirbt, um beworben zu werden — damit er sich seine Reisen, seine teure Spezial-Ausrüstung, seinen Sport überhaupt finanzieren kann. Im vergangenen August flog er nach Neuseeland zum Training, statt zu Hause bei 30 Grad in der Sonne zu liegen. Alles ist ausgerichtet auf diese Paralympics. Es sind seine vierten. Deshalb ist er zu Monatsbeginn direkt von Aspen im US-Bundesstaat Colorado aus nach Whistler gekommen. Von dort hatte er die Trophäe für den Sieg im Gesamtweltcup im Gepäck sowie die Kristallkugeln für die Disziplinwertungen in Super-G, Riesenslalom und Superkombination.

All diese Erfolge erzielte er sitzend auf einem Monoski, fixiert mit einem Gurtsystem. Eine Beinschale schützt ihn vor Verletzungen. Sein Sportgerät ist eine Maßanfertigung, so teuer wie ein guter Kleinwagen. Damit erreicht er Geschwindigkeiten um 100 Stundenkilometer. Im Jahr 1998 gewann er in Nagano erstmals die Bronzemedaille im Super-G. In Salt Lake City 2002 siegte er viermal, 2006 in Turin war der dreifache Sieger Braxenthaler sogar Fahnenträger der deutschen Mannschaft bei der Eröffnungsfeier. Und jetzt, in Kanada, hat er nach zwei Disziplinen bereits "200 Prozent Ausbeute" geschafft, wie er sagt. "Mehr geht nicht."

Der 38-Jährige zählt zu den bekanntesten Gesichtern des Behindertensports — eben weil er nicht allein durch Erfolge auf sich aufmerksam machte, sondern auch wichtige Basisarbeit leistete. Wenn er aufhört, dann hat er den Sport nachhaltig beeinflusst. Er hat stets ein offenes Ohr für seine Teammitglieder. So hilft er in diesen Tagen etwa der 17-jährigen Anna Schaffelhuber, dem wohl größten deutschen Talent, bei ihren ersten Paralympics — auch wenn er bei fünf eigenen Starts eigentlich auch genug mit sich selbst zu tun hat.

Daneben gilt Braxenthaler als Vorreiter bei technischen Neuerungen. Der Tüftler mit Mechaniker-Ausbildung entwickelt Rollstühle. Mit einem Bekannten, Werkstattleiter aus dem Chiemgau, bringt Braxenthaler seinen Untersatz stets auf den neuesten Stand. Mittlerweile ist sein Monoski mit denselben Federelementen ausgerüstet, mit denen auch Rennwagen der DTM oder Motorräder der Rallye Dakar fahren. "Nur wer professionell arbeitet, kann auch etwas erreichen", sagt er. "Darüber hinaus liegt mir am Herzen, dass auch nach mir ein starkes Team an den Start geht."

(RP)
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