Olympia-Tourist nach Quarantäne So wurde Kombinierer Weber zur tragischen Figur der Winterspiele

Düsseldorf · Seine ersten Olympischen Spiele hatte sich Terence Weber ganz anders vorgestellt. Um Medaillen wollte der Nordische Kombinierer kämpfen. Dann musste er wie sein guter Freund Eric Frenzel in Quarantäne. Nun wird er zum wichtigen Motivator neben der Strecke.

 Terence Weber steht am Mittwoch als Vorspringer an der Skisprungschanze in  Zhangjiakou.

Terence Weber steht am Mittwoch als Vorspringer an der Skisprungschanze in  Zhangjiakou.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Terence Weber ist kein ganz Unerfahrener mehr unter den Nordischen Kombinierern. Im Weltcup hat er schon viele überraschende Momente, kuriose Wendungen und Rückschläge erlebt. Doch das, was der 25-Jährige jetzt bei seinen ersten Olympischen Winterspielen erlebt, ist eine Premiere der besonders unschönen Art. Statt um Medaillen zu kämpfen, saß der Sachse in der Corona-Quarantäne fest. Bei der Anreise zwei Tage vor der Eröffnungsfeier der Spiele war er positiv getestet worden. Genauso wie sein Teamkollege und guter Freund Eric Frenzel, der bereits dreifacher Olympiasieger ist.

Für beide ging es direkt ins Isolations-Hotel. Die Hoffnung auf einen Start beim ersten Wettbewerb am 9. März war klein, aber da. Dennoch reiste Manuel Faißt als Ersatzmann nach. Für den Fall der Fälle.

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Während Frenzel sich immer wieder aus der Quarantäne meldete, war von und über Weber kaum etwas zu hören. Beiden Athleten gehe es den Umständen entsprechend gut, mental seien sie aber am Boden zerstört gewesen, teilt der Deutsche Skiverband mit. Angesteckt haben sie sich wohl beim letzten Weltcup vor der Abreise nach Peking in Seefeld. Auch Dominator Jarl Magnus Riiber aus Norwegen und der Este Kristjan Ilves waren bereits vor den beiden Deutschen positiv auf das Coronavirus getestet worden.

Tag für Tag hofften Frenzel und Weber auf einen negativen Test. Doch der erste Wettbewerb musste ohne alle vier erkrankten Kombinierer stattfinden. Frenzel und Weber jubelten im Hotel über Gold für ihren Teamkollegen Vinzenz Geiger, der als enge Kontaktperson von ihnen auch um die Teilnahme hatte bangen müssen.

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Für Weber schien dann zumindest der Start beim zweiten Wettbewerb realistisch. Ende der ersten Olympiawoche lag von ihm ein negativer Test vor. Bei Frenzel verbesserte sich die Virenlast nur langsam. Doch es kam anders. Der CT-Wert bei Weber ergab erneut einen positiven Test. Sind zehn Tage Quarantäne nicht vorüber, müssen zwei Tests in Folge negativ sein, damit man in der Olympia-Blase die Quarantäne verlassen darf. Nach den zehn Tagen reicht ein negativer Test. Die waren am 12. Februar um, drei Tage vor dem Wettkampf. Während Riiber und Ilves wieder trainieren durften, waren die Deutschen weiter positiv. Der Bundestrainer musste also entscheiden: Hoffen, dass es doch noch beide schaffen oder einen aus dem Wettbewerb nehmen und dafür Faißt ins Rennen schicken? Die Entscheidung fiel pro Faißt und gegen Weber.

Gelungen sei Olympia für ihn, wenn er nicht zwei Wochen Urlaub in China machen müsse, hatte Skispringer Stephan Leyhe gesagt. Genau das trifft nun auf Weber zu. Der Sportler aus dem Erzgebirge wird nur noch als Edelfan die Spiele in Peking verfolgen – und als Vorspringer beim Mannschaftswettbewerb. Statt sich enttäuscht zurückzuziehen, macht der Deutsche das beste aus der Situation. „Es ist natürlich schön, nach zwölf Tagen Rumsitzen die Anlagen selbst kennenzulernen, damit man mit einem positiven Gefühl von den Spielen heimfährt. Die Enttäuschung ist dennoch sehr groß, dass ich hier zu keinem Start kommen werde“, sagte Weber.

Immerhin darf er sich nach der ungewollten Auszeit in Peking auf einen Urlaub freuen. Der DOSB spendiert allen drei deutschen Athleten,  die in China in Quarantäne mussten, samt ihren Familien pro Tag in Isolation einen Urlaubstag.  „Wir sind uns mit dem Deutschen Skiverband und der Deutschen Eislaufunion einig, dass dieses Zeichen die verlorenen Tage und die Belastung der Quarantäne nicht ungeschehen machen kann. Dennoch möchten wir gemeinsam ein Zeichen der Solidarität aussenden“, sagte Dirk Schimmelpfennig, Chef de Mission im „Team D“.

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Wie bitter die Situation für Weber dennoch ist, kann man nur ahnen. Immerhin ist er wohl der einzige der drei Betroffenen, der ohne Wettkampf nach Hause fährt. Frenzel wird im Team noch starten, Eiskunstläufer  Nolan Seegert kam früh genug vor dem Paar-Wettbewerb aus der Isloation.

Dennoch stand der Kombinierer am Dienstag, inzwischen dann doch aus der Quarantäne entlassen, an der Langlaufstrecke und feuerte mit Frenzel seine Teamkollegen an – allen voran den lange um Gold laufenden Faißt. Es wirkte gar so, als wolle er seinen Ersatzmann zur Medaille schreien. So viel Sportgeist bei aller persönlichen Enttäuschung verdient Respekt. Und doch verwundert es bei Weber nicht.

Mit seinen 25 Jahren gehört er immer noch zu einer Riege von aufstrebenden und jungen Athleten, die die seit Jahren etablierten Erfolgsgaranten im deutschen Team unter Druck setzen. Die die Erfolge der vergangenen Jahrzehnte fortsetzen sollen. Das war für Weber auch das Ziel in Peking. Im Weltcup war er zuletzt nicht weit weg von den Podestplätzen. „Von daher ist der Anspruch schon, bei Olympia vorne mitzumischen. Ich weiß, dass ich das draufhabe. Ich freue mich riesig drauf“, sagte er selbstbewusst kurz vor den Winterspielen noch im Gespräch mit unserer Redaktion.

Er ist sich bewusst, dass gerade in diesem starken deutschen Team auch Glück dazu gehört, bei Großevents zum Team zu gehören. „Es gibt viele sehr Gute im deutschen Team, die die Qualifikationsnorm auch erreicht haben. Jeder davon hätte es verdient, zu Olympia zu dürfen“, sagte Weber stolz aber vor allem demütig.

Der Sportler aus dem Erzgebirge, der wie sein großes Vorbild Frenzel als Kind beim SSV Geyer mit dem Skispringen und Langlauf begonnen hat, gab vor sechs Jahren sein Debüt im Weltcup. 2018 reichte es noch nicht für die Olympischen Winterspiele in Südkorea.  Zu groß war da noch der Abstand zu den Olympiasiegern Frenzel, Johannes Rydzek oder Fabian Rießle.

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Im Winter 2021/22 sieht das ganz anders aus. Frenzel und Rydzek gehören immer noch zu den Topleuten im DSV-Team. Aber Weber und der neue Olympiasieger Vinzenz Geiger haben sie eingeholt, teils überholt. Gleich zum Start in die Olympia-Saison setzte Weber Ende November in Ruka ein Ausrufezeichen. Der Sachse gewann seinen ersten Weltcup. Die Olympia-Norm war geschafft. Dennoch war sich Weber lange nicht sicher, ob er am Ende wirklich mit nach Peking fliegen darf. Doch für Bundestrainer Hermann Weinbuch wäre es schon schwer geworden, zu argumentieren, warum er den Siebten im Gesamtweltcup zu Hause lässt. Das dürfte auch dem bescheidenen Athleten klar gewesen sein.

Die Vorfreude, mit seinen einstigen Vorbildern um Medaillen zu kämpfen, war groß. Mit dem dreifachen Olympiasieger Frenzel bildet er nicht nur ein erfolgreiches Sprintteam. Trotz der acht Jahre Altersunterschied verbindet die beiden viel. Sie sind in der Heimat Trainingspartner, teilen sich bei den Weltcups ein Zimmer. „Wir sind auch privat gut befreundet“, sagt Weber. Nun mussten sie beide und doch jeder für sich in seinem Quarantäne-Zimmer den Corona-Schock verarbeiten.

Im Weltcup profitiert Weber sonst von der Erfahrung des Teamkollegen. Und seine guten Leistungen sorgen dafür, dass Frenzel und Co. immer weiter zu neuen Bestleistungen motiviert werden. „Der Dynamik im Team hat es sicherlich gutgetan, dass wir jüngeren Athleten etwas Druck gemacht haben auf die älteren Athleten – und es uns so alle auch gepusht hat, wirklich maximale Leistung zu bringen. Im Weltcup hat man dann ja auch gesehen, dass wir wirklich geschlossen sehr, sehr gut sind als Mannschaft“, sagte Weber vor Olympia.

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Foto: afp

Allein 2018 holten die deutschen Kombinierer dreimal Gold und je einmal Silber und Bronze bei den Winterspielen. 2014 in Sotschi waren es je eine Gold-, Silber- und Bronzemedaille. Die Erwartungen an die deutschen Olympia-Starter waren daher auch 2022 hoch – dass die Corona-Fälle die Ausgangslage nun veränderten, dass sich Kollegen, Trainer und Betreuer auch um die Quarantäne-Situation und Gesundheit von Weber und Frenzel kümmern mussten, statt den Fokus allein auf die Wettkämpfe zu legen, machte den Erfolg von Geiger umso wichtiger, und hat ein ohnehin schon starkes Team noch enger zusammengeschweißt. Das war am Dienstag am Streckenrand gut zu erkennen.

Und das kann vor allem im abschließenden Mannschafts-Wettbewerb am Donnerstag entscheidend sein, die paar Prozent mehr Motivation, Leidensbereitschaft und Kraft ausmachen, die über Medaillen entscheiden.

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