Olympische Spiele in Sotschi Doping belastet den Wintersport

Sotschi/Köln · Im Olympischen Eid versprechen die Athleten am Freitagabend, keine Dopingmittel einzusetzen. Viele tun es trotzdem.

 Auch bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi ist Doping ein großes Thema.

Auch bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi ist Doping ein großes Thema.

Foto: dpa

"Im Namen aller Athleten verspreche ich, dass wir an den Olympischen Spielen teilnehmen und dabei die gültigen Regeln respektieren und befolgen und uns dabei einem Sport ohne Doping und ohne Drogen verpflichten, im wahren Geist der Sportlichkeit, für den Ruhm des Sports und die Ehre unserer Mannschaft."

Diese Sätze, den olympischen Eid, wird am Freitagabend ein russischer Athlet sprechen, dessen Name der Öffentlichkeit noch nicht bekannt ist. Er hält dazu einen Zipfel der weißen olympischen Flagge mit den Ringen. Schön feierlich wird das sein. Doch wer glaubt, dass sich alle Athleten daran halten, muss arg naiv sein.

Seit den Spielen 2000 in Sydney gehört die Antidopingklausel zum Eid. Es gab noch nie Olympische Spiele, bei denen sich alle Athleten an das Versprechen gehalten haben. Auch Winterspiele wurden vom Einsatz verbotener Mittel und Methoden belastet. 2002 in Salt Lake City gewann zum Beispiel der für Spanien startende Allgäuer Johann Mühlegg drei Goldmedaillen im Skilanglauf, ehe eine verbotene Substanz in seinem Blut gefunden wurde. Vier Jahre später fand die Turiner Staatsanwaltschaft im Quartier der österreichischen Langläufer und Biathleten Spritzen, Medikamente und Apparate für Transfusionen. 2010 wurde eine polnische Langläuferin erwischt. Viele Dopingsünder werden während der Aufbauphase für Olympia entlarvt. Vor den Winterspielen in Vancouver waren es mehr als 30.

Erster Dopingfall schon vor der Eröffnung

Die Spiele von Sotschi wurden schon vor der Eröffnungsfeier erschüttert. Die russische Biathletin Irina Starych, Nummer sechs im Gesamt-Weltcup, musste sich nach einer verdächtigen A-Probe aus dem Team zurückziehen. Der Nürnberger Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel zeigte sich nicht überrascht: "Russland hat schon immer ein sehr ausgeklügeltes Doping-System gehabt. Und so wie das Gesamtsystem von Russlands Präsident Wladimir Putin gestrickt ist, wird vor den Winterspielen in Sotschi die Devise ausgegeben worden sein: Lasst euch mal etwas einfallen!"

Für Aufsehen sorgten Rechercheergebnisse des WDR. Der Sender berichtete über Geschäfte eines Mitarbeiters der Russischen Akademie der Wissenschaften mit dem bisher unbekannten Dopingmittel Full Size MGF. "Es ist als sehr hochwirksam einzustufen", sagte der Kölner Dopinganalytiker Mario Thevis. Damit könne vor allem ein intensiver Muskelaufbau beschleunigt werden. Ein Nachweisverfahren gebe es noch nicht. Das ist das Problem: Die Betrüger sind den Jägern immer einen Schritt voraus.

Thevis warnte vor dem Missbrauch: "Für dieses Mittel besteht keine klinische Zulassung. Das Gesundheitsrisiko ist daher nicht abschätzbar." Um im Sport möglichst erfolgreich zu sein, greifen Athleten zu Mitteln, die den Körper auf lange Sicht stark schädigen könnten. "Es ist abscheulich, dass jemand solche Substanzen an Athleten verkauft, die ein so hohes Risiko eingehen", sagte Craig Reedie, der Chef der Welt-Antidoping-Agentur.

Doch wie viele Olympia-Teilnehmer dopen tatsächlich? Der forsche Mainzer Molekularbiologe Perikles Simon behauptet regelmäßig, dass 60 Prozent der Sportler gedopt in die olympischen Wettkämpfe gehen würden. Thevis hält diese Zahlen für zu hoch angesetzt. "Aber wir dürfen uns auch nichts vormachen: Die ein bis zwei Prozent, die wir in unseren Laboren ermitteln, liegen wohl unter dem tatsächlichen Wert", sagte der Kölner im Gespräch mit unserer Redaktion.

Thevis gehört einer internationalen Beobachtergruppe an, die in den kommenden zweieinhalb Wochen die Analysen des Labors in Sotschi begleiten. "Als Konsument von Sport im Fernsehen und im Stadion hat sich bei mir ein gewisser Verlust von Naivität eingestellt", sagte er, "nach den vielen Geständnissen und Funden hege ich mehr Zweifel als früher."

Die Proben von Sotschi werden für zehn Jahre eingefroren, um danach mit neuen Methoden untersucht werden zu können. Bislang betrug die Frist acht Jahre. Die Proben von Turin 2006 wollte das IOC bis Ende 2013 analysieren. Die Ergebnisse wurden bislang nicht veröffentlicht. Das soll erst nach den Tagen von Sotschi passieren. Durch schlechte Nachrichten aus der Vergangenheit soll das Sportfest nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

(RP)
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