"Ich fahre hier nur für mich" Shiffrin-Freund Faivre vorzeitig nach Hause geschickt

Pyeongchang · Die Franzosen haben Ski-Rennläufer Mathieu Faivre wegen vermeintlich nichtiger Bemerkungen nach Hause geschickt. Die Gründe dafür gehen zurück bis zum WM-Skandal 2010 - und Franck Ribery.

 Mathieu Faivre nach dem Riesenslalom.

Mathieu Faivre nach dem Riesenslalom.

Foto: afp

Vielleicht lag es an der Aufregung um ihren Freund Mathieu Faivre, dass Mikaela Shiffrin nicht sonderlich gut gelaunt war. Erstaunlich hastig und selten schmallippig verließ die Riesenslalom-Olympiasiegerin am Montag nach dem zweiten Abfahrtstraining den Zielraum in Jeongseon. Etwa zur gleichen Zeit befand sich Faivre (26), Ski-Weltmeister mit der Mannschaft aus Frankreich, auf der Heimreise - hinausgeworfen von der Team-Leitung. Wegen einer vermeintlichen Nichtigkeit.

Faivre habe nach dem Riesenslalom am Sonntag, in dem er Siebter geworden war, gegenüber Journalisten Äußerungen getätigt, die "nicht mit dem Mannschaftsgeist vereinbar sind", erläuterte David Chastan, Chef der französischen Ski-Rennläufer, die völlig überzogen erscheinende Maßnahme. Doch in Frankreich verstehen sie seit der Fußball-WM 2010 keinen Spaß mehr, wenn ein Sportler im Verdacht steht, es gehe ihm nicht um Frankreich - sondern um sich.

Im Riesenslalom am Sonntag hatten die Franzosen Alexis Pinturault, Thomas Fanara, Victor Muffat-Jeandet und eben Faivre die Plätze drei, fünf, sechs und sieben belegt. In den folgenden Gesprächen mit Journalisten sagte Faivre die beiden verhängnisvollen Sätze. "Wenn ihr nur wüsstet, was ich über die gesamte Gruppe denke", antwortete er auf die Frage nach dem Abschneiden der vier Franzosen, dann fügte er an: "Ich fahre hier nur für mich."

Sätze wie diese lösen in Frankreich beinahe körperliche Pein aus. Sie erinnern die hypersensible Grande Nation an die Fußball-WM 2010 in Südafrika und den peinlichen Eklat um die Nationalmannschaft. Der sportliche Misserfolg, die mannschaftsinternen Querelen und der Aufstand der Spieler gegen Nationaltrainer Raymond Domenech machten Les Bleus damals international zum Gespött. Die Vorgänge versetzten das Land in Aufruhr. Sie sind bis heute ein Trauma.

In Anlehnung an den Ort des WM-Quartiers hat sich der Eklat als "le fiasco de Knysna" in die Köpfe der Franzosen eingebrannt. Die Vorfälle beschäftigten Präsident Nicolas Sarkozy und seine Minister, am Ende mussten Präsident und Generaldirektor des Fußball-Verbandes (FFF) zurücktreten, Rädelsführer wie Nicolas Anelka (18 Spiele), Patrick Evra (5) und Franck Ribery (Bayern München/3) wurden vorläufig für Einsätze in der Nationalmannschaft gesperrt.

Seitdem handeln die Franzosen beim kleinsten Anzeichen eines möglichen Eklats gnadenlos. Vor zwei Jahren wurde Tennis-Profi Benoit Paire von den Olympischen Spielen in Rio nach Hause geschickt, weil er angeblich zunächst keine große Lust auf eine Teilnahme verspürt hatte, dann nicht im Olympischen Dorf wohnen wollte und schließlich nach der Zweitrunden-Niederlage gegen den Italiener Fabio Fognini "inakzeptables Verhalten" an den Tag legte.

Hinter dem guten Ruf der Grande Nation muss sogar der sportliche Erfolg zurückstehen. Faivre fällt nach seinem Rauswurf für den Team-Wettbewerb aus. Bei der WM 2017 war er Mitglied der französischen Gold-Equipe.

(sid)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort