Olympischer Riesenslalom Felix Neureuther beim "Riesenwunder" ohne Happy End

Sotschi · Allein sein Start war eine Sensation, doch mit Rang acht im olympischen Riesenslalom war Felix Neureuther nicht zufrieden. Im Slalom, versprach er nach seiner "Wunderheilung", werde er angreifen.

 Nicht zufrieden: Felix Neureuther.

Nicht zufrieden: Felix Neureuther.

Foto: ap, TH MMA

Felix Neureuther schüttelte den Kopf - und das war eigentlich eine gute Nachricht. Fünf Tage nach seinem Autounfall hatte er im olympischen Riesenslalom ja starten können, das allein hielt er für ein "Riesenwunder". Und Platz acht beim erwartbaren Olympiasieg von Ted Ligety aus den USA war angesichts der Umstände auch fast eine Sensation. Freuen aber wollte sich an diesem Tag der verpassten Chancen in einem denkwürdigen Rennen weder Neureuther noch sonst einer aus dem deutschen Team. Deshalb: Kopfschütteln.

"Da ist ein bissl Frust dabei", sagte DSV-Alpindirektor Wolfgang Maier. Frust darüber, dass sich der Kämpfer Neureuther im Finale nicht verbessern konnte. Darüber, dass Fritz Dopfer vom elften auf den zwölften Rang zurückfiel. Und darüber, dass Stefan Luitz eine mögliche Medaille mit einem "Einfädler" am letzten (!) Tor im ersten Lauf wegwarf. "Du Vollidiot!", sei sein erster Gedanke nach diesem Malheur gewesen, meinte Luitz. Maier hatte dem kaum mehr was hinzuzufügen.

"Ich hab' probiert, wirklich zu attackieren"

Auch Neureuther blickte grimmig drein. Aufgrund der Vorgeschichte, versuchte er sich einzureden, "müsste ich mit Platz acht eigentlich sehr, sehr zufrieden sein". Er war aber nicht zufrieden, und das war ihm anzusehen. "Ich hab' probiert, wirklich zu attackieren. Aber man merkt, dass ich die letzten fünf Tage fast nur gelegen bin", sagte er - und dachte wieder an den vermaledeiten Autounfall. Trost kam von Kumpel Ligety. "Felix ist ein zäher Bursche", sagte der Amerikaner im Medienzelt von Rosa Chutor: "Ich bin sicher: In ein paar Tagen werdet ihr ihn hier bei der Sieger-Pressekonferenz sehen."

Auch Neureuther dachte bald an den Slalom am Samstag, das Rennen in seiner Spezialdisziplin. Plötzlich schlich sich ein feines Lächeln in sein Gesicht. Es sei ihm doch "ein riesengroßer Stein" vom Herzen gefallen, weil er es trotz allem an den Start und in beiden Läufen ins Ziel geschafft hatte, sagte er. Und darüber sei er bei genauerer Betrachtung "brutal froh". Auch, weil es ihm die Gewissheit gebe, "dass ich am Samstag voll angreifen kann". Dann, versprach er, "kann ich wieder das machen, was ich am besten kann: schnell Slalom fahren!"

Den Slalom werde er "um jeden Preis" angehen, kündigte Neureuther guten Gewissens an. Sein Physiotherapeut Martin Auracher hatte schließlich einen "Wahnsinnsjob" (Neureuther) gemacht und den Patienten Felix N. schon für den Riesenslalom rennklar gemacht. Sein Nacken wurde von Tape-Bändern stabilisiert, Schmerzmittel brauchte er nicht. Das einzige, was ihm noch mit Blick auf den Slalom fehle, sei ein bisschen Training, sagte Neureuther. Ansonsten gelte: "Ich weiß, dass ich schnell sein kann."

Bummelfahrt von Ligety

Der Schnellste im "Riesen" war wenig überraschend Weltmeister Ligety. Dessen Vorsprung auf die Konkurrenz war so groß, dass er sich im zweiten Durchgang eine Bummelfahrt leisten konnte. "Der is so gmiadlich obag'fohrn, do hätt' er nebenbei a no a Jausenbrot essen kenna", sagte Marcel Hirscher aus Österreich. Hirscher belegte hinter den Franzosen Steve Missilier und Alexis Pinturault nur Platz vier.

Den spektakulärsten, zugleich aber unglücklichsten Auftritt an einem sonnigen Tag hatte allerdings Luitz. Er kam als einziger einigermaßen an Ligety heran, im Ziel des ersten Laufs fehlten ihm 0,59 Sekunden. Doch weil der Allgäuer mit dem rechten Ski am letzten Tor hängengeblieben war, wurde er folgerichtig disqualifiziert.

Luitz warf sich fassungslos auf den Bauch, den Kopf drückte er in den Schnee. "Vielleicht", mutmaßte er später, "war ich mit den Gedanken zu früh über der Ziellinie." Zimmergenosse Neureuther litt mit ("brutal"), Maier schien schockiert. Dann sinnierte der Alpindirektor: "Vielleicht muss das dazugehören, damit er irgendwann ein ganz Großer wird." So wie Neureuther.

(sid)
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