Brisante Suche nach dem Fahnenträger Was wird aus Claudia Pechstein?

Köln · Am Samstag benennt der DOSB fünf Kandidaten für den ehrenvollen Job des Fahnenträgers bei der Eröffnungsfeier der Winterspiele. Durch die mögliche Anwärterin Claudia Pechstein besitzt das Verfahren auch eine sportpolitische Dimension.

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Alfons Hörmann ist ein Fan von Claudia Pechstein. Der DOSB-Präsident lobt die Erfolge der bald 46 Jahre alten Eisschnellläuferin als "schlichtweg unglaublich", bewundert das "Holz, aus dem sie geschnitzt ist". Vor ein paar Wochen nannte er es "klar", dass Pechstein zum Kreis der potenziellen Fahnenträger für die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang gehört.

Am Samstag beginnt nun das Rennen um die ehrenvolle Aufgabe, die deutsche Mannschaft bei der Eröffnungsfeier am 9. Februar mit der deutschen Fahne in der Hand ins Stadion zu führen. Und sollte Pechstein zu den fünf Kandidaten gehören, die Präsidium und Vorstand des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) vor einigen Tagen festgelegt haben, besitzt das Verfahren auch eine sportpolitische und zutiefst emotionale Dimension.

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Pechstein ist streitbar und umstritten. Sie kämpft seit Jahren gegen die ihrer Meinung nach ungerechtfertigte Dopingsperre wegen auffälliger Blutwerte aus dem Jahr 2009. Sie strebt seitdem hartnäckig, aber bislang erfolglos einen Schadensersatzprozess gegen den Eislauf-Weltverband an - und feiert jeden Erfolg auf der Eisbahn seitdem auch als Triumph über die verhasste ISU.

Pechstein contra Bach

Hörmann bewundert Pechstein dafür, Thomas Bach eher nicht. Der heutige IOC-Präsident, 2009 noch DOSB-Chef, hatte Pechstein damals unmittelbar nach Bekanntwerden der Sperre und deren Bestätigung durch den Internationalen Sportgerichtshof CAS fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel. Pechstein hat Bach seitdem mehrfach frontal attackiert und dem IOC-Präsidenten zuletzt im Sommer 2016 den Rücktritt nahegelegt.

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Beim Thema Pechstein dürften Hörmann und sein Vorgänger Bach so weit auseinander liegen wie nirgends sonst. Den IOC-Präsidenten, vor allem aber auch die ISU könnte eine Nominierung Pechsteins durch den DOSB mindestens irritieren.

Die Welt in gut und schlecht

Zudem polarisiert die erfolgreichste deutsche Winter-Olympionikin wie keine andere Sportlerin hierzulande. Das liegt auch daran, dass Pechstein die Welt seit dem ISU-Urteil noch nachdrücklicher in gut und schlecht aufteilt, als sie es vorher schon getan hat - etwa in zahllosen Scharmützeln mit Konkurrentinnen wie Gunda Niemann-Stirnemann, Anni Friesinger oder Stephanie Beckert.

Deutsche Olympia-Mannschaft eingekleidet
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Wer nicht für sie ist, ist gegen sie und muss ihren Zorn fürchten - und den ihres Lebensgefährten Matthias Große, der sie als offiziell akkreditierter Betreuer nach Pyeongchang begleiten darf. Ist so jemand geeignet, die deutsche Mannschaft beim Einmarsch der Nationen hinter sich zu vereinen?

Zehntägiges Auswahlverfahren

Die Antwort könnte ab Samstag das zehntägige Auswahlverfahren geben, sollte Pechstein auf der Liste stehen. Bis zum 5. Februar können die Öffentlichkeit und die deutschen Olympia-Athleten abstimmen, beide Seiten werden mit 50 Prozent gewichtet, die Prozentzahlen aus beiden Lagern addiert.

Biathletin Laura Dahlmeier hat als mögliche Kandidatin bereits angedeutet, dass sie wohl nicht zur Verfügung stehen wird, weil tags darauf das Sprint-Rennen ansteht. Ein weiterer möglicher Kandidat, der schon am Samstag um Medaillen kämpft, ist Rodel-Olympiasieger Felix Loch.

"Wettkampf hat Vorrang"

Chef de Mission Dirk Schimmelpfennig betont, dass sportliche Belange im Zweifel wichtiger sind. "Der Wettkampf hat Vorrang, und natürlich berücksichtigen wir das", sagte er.

Auch Pechstein hat ihr erstes Rennen schon am Tag nach der Eröffnungsfeier, allerdings über ihre Nebenstrecke 3000 m. Sie erweckt den Eindruck, als würde sie im bitterkalten Pyeongchang die Zusatzbelastung und das Risiko einer Erkältung liebend gerne in Kauf nehmen. Sie sagt, sie würde es "gerne machen", und es wäre eine "absolute Ehre" und "Motivation pur", die Fahne zu tragen.

Hörmann hält sich raus

Sollte der DOSB doch sportpolitische Bedenken haben, könnte er mit Verweis auf das 3000-m-Rennen relativ elegant begründen, warum Pechstein nicht auf der Liste steht. Vor vier Jahren in Sotschi, als der Dachverband noch alleine über den Fahnenträger entschied, hatte er Maria Höfl-Riesch Pechstein vorgezogen - und sportpolitische Erwägungen bestritten.

Mögliche weitere Kandidaten könnten unter anderem die Kombinierer Johannes Rydzek und Eric Frenzel, Rodlerin Natalie Geisenberger, Ski-Rennläuferin Viktoria Rebensburg, die Skispringer Richard Freitag und Carina Vogt oder Eishockey-Star Christian Ehrhoff sein. Hörmann sagt übrigens: "Ich will und werde nicht in das Verfahren eingreifen."

(sid)
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