Synchronschwimmen Bleyer-Schwestern träumen von Olympia - doch die Förderung fehlt

Würselen · Johanna und Klara Bleyer aus Würselen gehören zu den besten Synchronschwimmerinnen Deutschlands. Doch die Hürden bis zum Traum von Olympia sind hoch. Genauso wie die selbst zu tragenden Kosten.

 Johanna (r.) und Klara Bleyer im Duett.

Johanna (r.) und Klara Bleyer im Duett.

Foto: Antje Bleyer

Es ist ein gelbes Stadthaus, in dem Johanna und Klara Bleyer mit ihren Eltern und Bruder Christoph in Würselen nahe Aachen leben. Alles daran und darin schreit nach heiler Welt: Die Fenster mit weißem Stuck, die Räume eingerichtet mit restaurierten, weißen Antik-Möbeln, der Garten eine mediterrane Idylle. Es ist eine Oase für zwei Leistungssportlerinnen. Eine, die symbolisch für die Grundlage ihres Erfolgs steht. Johanna (17) und Klara (15) sind Synchronschwimmerinnen, zwei der besten in Deutschland. Doch trotz ihres Talents und viel harter Arbeit hängt ihre Karriere an den Eltern – denn die müssen sich den Sport leisten können.

Seit vier Jahren ist Klara ungeschlagene Deutsche und NRW-Altersklassenmeisterin in den Disziplinen Solo und Duett. Mit 14 erreichte sie Platz sechs im Solo und Platz neun im Duett beim Comen Cup 2018 in Sevilla, der inoffiziellen U15-WM. Schwester Johanna ist nicht weniger erfolgreich: Sie hat die Deutschen und NRW-Alterklassenmeisterschaften ebenfalls mehrfach gewonnen, erreichte Platz acht in der Kombination mit der deutschen Nationalmannschaft bei den European Championships 2018 in Glasgow, Platz elf bei der Jugendeuropameisterschaft in Finnland, Platz 15 bei den Jugendweltmeisterschaften in Ungarn. Unzählige Gold-, Silber- und Bronzemedaillen zieren die Zimmer der Schwestern.

Das Problem: Noch immer wird Synchronschwimmen hierzulande als Wasserballett belächelt. Und gegen die internationale Konkurrenz aus Russland oder Spanien haben deutsche Mannschaften in der Regel keine Chance. Dabei habe es schon Duette gegeben, die die Qualifikation für Olympia geschafft hatten, aber dann vom Deutschen Schwimm-Verband (DSV) trotzdem nicht nominiert worden seien, sagt Antje Bleyer. „Keine Chance auf Medaillengewinn“, gibt Antje Bleyer die lapidare Begründung wieder.

 Johanna und Klara Bleyer werden mit einem Projekt für die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 des Landes NRW gefördert.

Johanna und Klara Bleyer werden mit einem Projekt für die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 des Landes NRW gefördert.

Foto: Antje Bleyer

Johanna schwimmt wie ihre Schwester seit 2010 synchron, ist seit 2012 Teil des NRW-Kaders und wechselte 2014 mit Klara zum Leistungsstützpunkt nach Bochum. Kurz darauf erfolgte auch die Aufnahme in den Kader des DSV. Vom Land NRW werden die beiden zusätzlich seit zwei Jahren in einem Projekt gefördert, das sie auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2024 in Paris vorbereiten soll.

Jedes Jahr zahlen die Eltern rund 14.000 Euro. Für Vereinsbeiträge, das Training bei der Bundestrainerin, Eigenanteile zu Wettkämpfen, für Trainingslager im In- und Ausland, für Choreographen oder für Küranzüge. Viele Schwimmerinnen zwingt das fehlende Kleingeld dazu, den Sport aufzugeben und ihren Lebensunterhalt anderweitig zu verdienen. „Sportsoldat zu werden, ist momentan leider auch keine Option“, sagt Johanna. Dafür fehle die Förderung durch die Bundeswehr, mit der die Mädchen neben Ausbildung oder Studium die Sporart weiterführen könnten, erklärt Antje Bleyer. Es fehlt an allen Ecken und Enden – deswegen näht die ehemalige Betriebswirtin die Küranzüge der Mädchen selbst. Ihre Kreationen verkauft sie an fast alle Deutschen Synchronschwimmer-Vereine.

„Letztes Jahr haben fünf Leute (aus der Nationallmannschaft, Anm. d. Red.) aufgehört“, erzählt Johanna. Die Gründe: Geld, Schule, Zeit, Beruf. Und nun? „In diesem Jahr gibt es keine Nationalmannschaft“, sagt Antje Bleyer. Die Hoffnung liegt nun also auf dem Nachwuchs und der Jugendnationalmannschaft, also auch auf Johanna und Klara.

Und die müssen umso härter kämpfen: Rund 100 Fehlstunden verbuchen Klara und Johanna jedes Jahr auf ihrem Schul-Zeugnis, 52 Tage waren sie im vergangenen Jahr für Wettkampfvorbereitungen, Wettkämpfe oder Trainingslager unterwegs, sechs Mal die Woche geht es zum Training nach Bochum – nicht selten wird bis zu zehn Stunden am Tag traininert. Hausaufgaben werden im Auto gemacht, Klausuren müssen am Olympiastützpunkt in Heidelberg nachgeschrieben weden. Der Familienurlaub wird an die Wettkampf- und Vorbereitungsorte verlegt. „Wir haben noch Glück“, sagt Klara, die wie ihre Schwester große Unterstützung durch ihren Schulleiter am Städtischen Gymnasium in Eschweiler genießt.

Neidisch erzählen Johanna und Klara von Ländern wie Russland oder Spanien, wo das Synchronschwimmen beliebt ist und regelmäßig im Free-TV gezeigt wird. Wo Minderjährige damit gutes Geld verdienen. „Da lebt und trainiert die Nationalmannschaft gemeinsam am selben Ort“, sagt Johanna. Das wünscht sie sich auch für Deutschland. Die Olympiateilnahme ist Johannas größter Traum. Ob der irgendwann einmal in Erfüllung gehen kann? „Ich finde man sollte noch träumen können.“

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