Entrüstung bei Verbänden und Sportlern Ringer kämpfen um Zukunft bei Olympia

Düsseldorf · Den Ringer-Wettbewerben droht ab 2020 der Ausschluss aus dem Olympia-Programm. Verbände und Sportler reagieren entrüstet. Funktionäre hierzulande glauben daran, dass die Entscheidung noch geändert werden kann.

Die größten Erfolge deutscher Ringer
Infos

Die größten Erfolge deutscher Ringer

Infos
Foto: dpa, EPU

Karl-Martin Dittmann hat in dieser Woche eine Mail bekommen, die ihn sehr gerührt hat. Eine Familie habe ihm darin von ihrem traurigen Sohn berichtet. Für den kleinen Knirps sei eine Welt zusammengebrochen, als er gehört habe, er könne als begeisterter Ringer später wohl nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen. Dittmann bekommt in diesen Tagen viel Post. Der Generalsekretär des deutschen Ringer-Bundes (DRB) erfährt von vielen Seiten Zuspruch nach der Entscheidung der Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees, ausgerechnet eine der ältesten Sportarten aus dem Programm der Wettkämpfe ab 2020 zu streichen. "Die Sportszene zeigt sich mit uns solidarisch. Wir werden alles in Bewegung setzen, damit dieser Beschluss wieder gekippt wird", sagt der 52-Jährige. "Sollten wir wirklich aus dem Programm fliegen, wäre das der absolute GAU für uns."

Olympia ist längst zu einem gigantischen Geschäft geworden. Das IOC hat durch die Winterspiele 2010 in Vancouver und die Sommer-Wettbewerbe zwei Jahre später in London einen geschätzten Umsatz von 5,8 Milliarden Euro gemacht. Der Gewinn wird zum Teil an die beteiligten 26 internationalen Sportverbände und 205 Nationalen Olympischen Komitees (NOK) als seine Partnerorganisationen ausgeschüttet. Es geht um Millionen und daraus resultierende Abhängigkeiten. Wer sich mit einer Sportart bei den Spielen präsentieren kann, hat eine gewisse finanzielle Grundversorgung gesichert. Für die Ringer geht es also auch darum, ob bestehende Strukturen weiter aufrechterhalten werden können.

Michael Scharf ist Leiter des Olympiastützpunktes Rheinland. Er sieht den Bundesstützpunkt für Frauenringen in Dormagen aktuell nicht bedroht: "Da Ringen 2016 noch olympisch ist, sollte die Förderung gesichert sein. Ich glaube nicht, dass man morgen die Schlüssel ziehen kann in Dormagen."

Beim TuS Gerresheim in Düsseldorf sind die Olympischen Spiele weit entfernt. "Bei uns fließen durch die Veranstaltung nicht die großen Gelder", erzählt Geschäftsführer Alex Wiendl. "Natürlich ist so eine Entscheidung nicht gut für die Sportart. Aber ich blicke nicht so pessimistisch in die Zukunft. Ringen hat es immer gegeben — und ich persönlich habe jetzt auch nicht die Angst, dass Ringen ganz von der Bildfläche verschwinden könnte."

Pater Wolfgang Siefert ist Ordensmann der Dominikaner in Düsseldorf. Wenn es ihm die Zeit erlaubt, geht er auf die Matte. "Ringen", sagt der 55-Jährige, "ist ein verdammt ehrlicher Sport. Am Ende bist du selber für Sieg oder Niederlage verantwortlich." Der Pater war einmal ein sehr ambitionierter Ringer, er hat es bis in die zweite Bundesliga geschafft und Erfolge in der höchsten Schweizer Klasse gefeiert. "Wenn das IOC nun entscheidet, Ringen ist nicht mehr olympisch, dann ist für mich Olympia nicht mehr olympisch. Die Kommerzialisierung des Sports schlägt den Olympischen Geist. Das ist eine sehr traurige und bedenkliche Entwicklung. Ich habe aber die leise Hoffnung, dass die Entscheidung noch einmal überdacht wird."

Das hofft auch DRB-Generalsekretär Karl-Martin Dittmann und setzt auf weltweite Proteste. "Wir müssen jetzt ganz genau analysieren, warum wir aus dem Programm gestrichen worden sind", befindet er. "Daraus müssen wir schnell die Lehren ziehen und uns dementsprechend neu aufstellen."

(RP/seeg/csi)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort