Aus bei den Olympischen Spielen Ringen — eine Sportart muss ins Museum

Düsseldorf · Die überraschende Entscheidung des IOC, bei Olympia ab 2020 auf Ringen zu verzichten, ist ein herber Schlag für die älteste Disziplin.

Die Ringer waren sich sehr sicher gewesen. Die Exekutive des Internationalen Olympischen Komittes (IOC) würde den Modernen Fünfkampf aus dem olympischen Programm streichen. Oder vielleicht Badminton, jene Sportart, bei der bei den Spielen in London noch munter gepfuscht worden war. Am Mittag stand das Training aber auf den Ringermatten still, als die Empfehlung des IOC durchsickerte: Ab 2020 soll Ringen, eine der ältesten Sportarten der Welt, nicht mehr auf der größten Sportbühne der Welt aufgeführt werden.

Die Spiele 2016 in Rio de Janeiro wären die letzten mit Ringern. Dabei war die Sportart seit Beginn der Spiele der Neuzeit 1896 olympisch, und erst recht war sie es bereits in der Antike. Entsprechend schockiert und fassungslos waren die Ringer weltweit. "Das kam völlig überraschend und ist für mich unverständlich. Es gab überhaupt keine Vorzeichen", klagt Manfred Werner, Präsident des Deutschen Ringer-Bundes, im Gespräch mit unserer Zeitung.

Die Exekutive des IOC begründete seine Empfehlung an die Versammlung im September damit, dass Ringen bei einer Analyse aller 26 olympischen Sommersportarten in 39 Kriterien niedrige Werte bekommen hatte. Dabei ging es vor allem um TV-Quoten, Ticket-Verkauf, weltweite Verbreitung, Popularität und Engagement im Anti-Doping-Kampf. Griechisch-Römisch war den Entscheidern des Weltsports nach diesen Kriterien offenbar zu verstaubt. Im Gegensatz zum modernen Fünfkampf, der alle fünf Disziplinen (Degenfechten, Schwimmen, Springreiten, Schießen und Dauerlauf) künftig in fünf Stunden telegen in einem Stadion austragen will — und damit beim IOC punktete. "Eine olympische Sportart muss Tradition und Fortschritt verbinden", erklärt IOC-Vize Thomas Bach die Entscheidung der 15-köpfigen Exekutive, bei der am Ende auch Hockey und Kanu auf der Kippe standen.

"Es ist nicht das Ende des Sports"

In Deutschland ist die Empfehlung ein herber Schlag für die Sportart. Denn Olympia ist die Bühne, die Randsportarten ins Fernsehen bringt. Fehlt diese, gibt es kaum eine Chance, den Nachwuchs überhaupt für diesen Sport zu interessieren. Die Gefahr, dass das IOC eine Sportart so ins Museum schickt, ist groß. "Wie sollen wir unserem Nachwuchs, den wir in den vergangenen Jahren in mühsamer Kleinarbeit wieder an die Weltspitze herangeführt haben, dieses Olympia-Aus vermitteln?", sagt Bundestrainer Alexander Leipold, der aber auch betont: "Es ist nicht das Ende des Sports." Dennoch: Der Deutsche Ringerbund hat mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen. In den vergangenen zehn Jahren sank die Mitgliederzahl um rund zwölf Prozent auf 65 000. "Wenn Olympia genommen wird, wird es schwierig, einen gewissen Bestand zu halten", befürchtet Manfred Werner.

Nicht zuletzt geht es aber auch um Geld. Denn der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) verteilt seine Zuschüsse aus dem Innenministerium auch anhand von Erfolgsaussichten bei Olympischen Spielen unter den Fachverbänden. Wer gar nicht erst dabei ist, muss sich um seine Finanzspritze erst recht Sorgen machen. "Wir müssen uns mit den Zuschussgebern zusammensetzen. Wir haben fünf Bundestrainer und einen Sportdirektor und außerdem Maßnahmen zur Gewaltprävention und Lehrgänge, die über diesen Topf bezuschusst werden", sagt Manfred Werner, dessen Verband in London ohne Medaille geblieben war.

Im Mai, wenn die Exekutive über den Gastgeber der Spiele 2020 entscheidet, kann sich Ringen noch einmal neben Trendsportarten wie Baseball, Wakeboard und Wushu präsentieren. Werner versichert: "Wir sind nicht unmodern."

(RP/seeg)
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