Diskussionen um Prothesensprinter bei Olympia Pistorius — der Zweifel läuft mit

Gauteng · Blade Runner Oscar Pistorius wird durch seinen Start bei den Olympischen Spielen in London Geschichte schreiben - und die Zweifel werden mitlaufen. Der Stelzensprinter unterbot am Wochenende bei einem Auswahlrennen in Gauteng/Südafrika in 45,20 Sekunden die Olympia-Norm über 400 m, der Weg für seinen Doppelstart bei Olympia und den Paralympics ist damit frei. Pistorius wird aller Voraussicht nach zum ersten Behindertensportler bei olympischen Leichtathletik-Wettbewerben.

So sprintet der beinamputierte Oscar Pistorius
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"Ich bin überglücklich. Das ist ein großer Moment für mich, ich versuche, das alles aufzusaugen. Als ich nach dem Zieleinlauf die Zeit gesehen habe, war das ein magischer Moment", sagte Pistorius: "Ich hoffe nun, dass ich auch vom NOK nominiert werde. Ich wäre stolz, mein Land bei Olympia und den Paralympics zu vertreten, und werde mich so gewissenhaft vorbereiten, dass ich meine beste Leistung bringen kann."

Medaillen-Kandidat in London

Der sympathische Südafrikaner wird sicher eine Attraktion der Spiele werden, Pistorius gilt als Medaillen- und vielleicht sogar als Gold-Kandidat. Ein Erfolg des Stelzenläufers würde die Diskussionen über die Rechtmäßigkeit seines Starts ins Unermessliche treiben. Mit seiner Bestzeit von 45,07 Sekunden wäre er im Olympia-Finale von Peking 2008 schon Fünfter geworden. Und als er bei der Leichtathletik-WM in Daegu 2011 in 46,19 Sekunden am Finaleinzug scheiterte, mutmaßten viele, Pistorius habe geflunkert, um die Diskussion nicht unnötig anzuheizen und damit seine Olympia-Teilnahme zu gefährden.

Im Training soll der "schnellste Mann auf keinem Bein" bereits ganz starke Zeiten laufen. Manche Behindertensportler bezeichnen Pistorius Behinderung als "Kratzer". Der Grund: Als Unterschenkelamputierter hat er noch seine Knie.

Seine Zulassung für Olympia sehen auch deshalb viele als Fehlentscheidung. Der Tübinger Sportsoziologie-Professor Helmut Digel, früherer Präsident des Deutschen Leichathletik-Verbandes und langjähriges Mitglied der Führungsriege im Weltverband IAAF, schrieb in seinem Buch "Fairplay" zuletzt: "Man öffnet Tür und Tor für technische Manipulationen und lässt einen anderen Sport eintreten."

Karbonstelzen als technischer Vorteil

In einer SID-Umfrage hatte ein mehrmaliger Paralympics-Sieger den Zwiespalt auf den Punkt gebracht. "Oscar hätte schon in Daegu niemals starten dürfen", sagte er: "Man kann nur hoffen, dass nun nicht jemand mehrere Hunderttausend Euro investiert und die Wunderstelzen entwickelt, mit denen man alle in Grund und Boden rennen kann." Schon jetzt sehen Kritiker in den hochwertigen Karbonstelzen des 25-jährigen Pistorius einen nicht vertretbaren technischen Vorteil.

"So lange Oscar nicht gewinnt, sehe ich kein Problem", sagte Weltbehindertensportler Gerd Schönfelder: "Wenn er gewinnt, allerdings schon. Egal, wie toll seine Leistung auch sein mag, sie würde in jedem Fall angezweifelt werden." Dass Pistorius nur über 400 m mithalten kann, zeige "schon eine gewisse Abhängigkeit von den Prothesen". Beim Start hat der Stelzenläufer Nachteile, während des Rennens Vorteile. So große nach Experten-Meinung, dass ihm nach entsprechenden Studien der Start bei Olympia 2008 zunächst verboten wurde.

"Manche sagen, es ist nicht gut, dass Oscar startet. Aber er hat die Menschen bewegt und begeistert. Und die IAAF hat seinen Start erlaubt", sagt Sir Philip Craven dem SID. Der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees traut Pistorius auf absehbare Zeit eine Medaille zu, erst einmal sei er ein guter Botschafter. "Oscar ist ein großer Mensch", sagt Craven: "Auf der Strecke eisenhart, abseits ganz sanft."

(sid)
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