Ex-Formel-1-Pilot bei den Paralympics Zanardis zweites Leben glänzt golden

London · Vor elf Jahren hing sein Leben am seidenen Faden, nun ist der ehemalige Formel-1-Fahrer Alessandro Zanardi ein paralympischer Champion. Bei seinem Debüt gewann der Italiener die Gold-Medaille im Zeitfahren mit dem Handbike.

Paralympics 2012: Ex-Formel-1-Fahrer Zanardi bejubelt Gold
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Foto: dpa, Daniel Karmann

Sein Unfall schockierte die Welt: Am 15. September 2001 kam es auf dem Lausitzring zu einer fatalen Kollision in der Champ-Car-Serie. Nach einem Boxenstopp kam Zanardi kurzzeitig von der Fahrbahn ab, er verlor die Kontrolle über sein Rennauto. Als er auf die Strecke zurückgetrieben wurde, rauschte Alex Tagliani in ihn herein. Mit 320 Kilometern pro Stunde.

Sieben Mal wiederbelebt

Zanardis Auto wurde in zwei Teile gerissen. Lange kämpften die Ärzte um das Leben des Italieners. Sieben Mal musste der Rennfahrer reanimiert werden. "Deutsche Ärzte haben mir so viel Blut gegeben, dass ich eigentlich einen deutschen Pass bekommen sollte", sagt Zanardi rückblickend mit einem Augenzwinkern. Seine Beine konnten die Mediziner nicht retten.

Doch der heute 45-Jährige nahm sein Schicksal an. Zwei Jahre nach dem Unfall saß er schon wieder in einem Rennwagen, suchte sich weitere sportliche Herausforderungen. Als er zum ersten Mal auf einem Handbike saß, brach er nach fünf Kilometern aus Kraftgründen ab. Doch wie immer hat er sich durchgebissen. Seit zweieinhalb Jahren trainiert er bis zu 80 Kilometer täglich.

"Mir ist etwas passiert, was nicht vielen Menschen passiert und was viele Außenstehende als schlimm empfinden. Aber ich habe in meinem zweiten Leben auch viele tolle, neue Dinge erlebt", sagte "Alex" schon vor seinem ersten Start bei den Paralympics: "Wenn ich noch zwei Beine hätte, wäre ich niemals nach London gekommen. Und als Motorsportler hätte ich niemals die Chance gehabt, eine Medaille zu gewinnen."

Das erhoffte Edelmetall, das Zanardi passenderweise auf der Rennstrecke Brand's Hatch eingefahren hat, glänzt nun sogar golden. "Hier ist etwas Magisches in meinem Leben passiert", sagt Zanardi. "Mich treibt nicht Zähigkeit, sondern Neugier an. Und ich bin glücklich, weil ich die Neugier jeden Tag aufs Neue stillen kann", so Zanardi über seine ungetrübte Lebensfreude.

Ein anderer Handbike-Fahrer, den er zufällig auf einer Autobahn-Raststätte getroffen hat, führte Zanardi an den Sport heran. Wenige Minuten nach der Goldfahrt des Freundes holte am Mittwoch auch Vittorio Podesta eine Medaille im Zeitfahren: Bronze. "Ich habe intensiver von einer Medaille für Alex als für mich geträumt", sagt der 39-Jährige.

Oma als Vorbild

Zanardi widmete seine Goldmedaille dann auch folgerichtig dem Freund Podesta, dachte aber noch an einen weiteren besonderen Menschen. "Ich bin in meinem Leben viele Male an Grenzen gestoßen, oft habe ich sie überwunden, aber heute kann ich sagen, dass ich die Latte etwas höher gelegt habe. Ich habe mir meine Großmutter als Vorbild genommen, die 101 Jahre alt geworden ist und bei einem Unfall in ihrem Haus gestorben ist. Wie sie suche ich mir jeden Tag eine neue Herausforderung. Ich gebe nicht auf", so Zanardi.

Wie es weitergeht, weiß der 45-Jährige noch nicht genau. "Jetzt steht erstmal das Straßenrennen an, dann werde ich weitersehen." Bis dahin darf er sich aber noch ein bisschen feiern lassen. "Zanardi — das Bild eines vollständigen Mannes", schreibt die Tageszeitung "La Repubblica" nach dem Triumph bei den Paralymics. Und die Gazzetta dello Sport findet: "Es gibt Menschen, die erst Gold gewinnen müssen, um ein Champion zu sein. Alex Zanardi gehört nicht dazu."

(areh)
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