"Nicht mit gleichem Maß messen" Gleichstellung bei Prämien geht sogar Popow zu weit

Rio de Janeiro · Zum zweiten Mal in der Geschichte der Paralympics erhalten die deutschen Medaillengewinner die gleichen Prämien wie ihre nicht behinderten Kollegen. 20.000 Euro gibt es für einen Olympiasieg.

 Heinrich Popow gewann 2012 in London Gold über die 100 Meter.

Heinrich Popow gewann 2012 in London Gold über die 100 Meter.

Foto: dpa, gp ss hpl

Gleichstellung ist im Behindertensport ein sehr wichtiges Thema. Doch in Bezug auf die Prämien geht sogar Paralympicssieger Heinrich Popow die Gleichstellung zu weit. "Wir sollten aufhören, mit gleichem Maß zu messen", sagte der 33 Jahre alte 100-m-Champion von 2012 vor dem Start der Paralympics in Rio de Janeiro (7. bis 18. september) dem SID.

"Klar wäre es schön, wenn man (die Plätze) vier bis acht auch honoriert", meinte Popow: "Aber es gibt Wettkämpfe, wo es nicht mal vier bis acht gibt, wo es bei sechs aufhört. Ist das gleich mit Olympia? Wir müssen uns an die eigene Nase packen und es erst mal schaffen, eine Breitensportbasis herzustellen."

Erst zum zweiten Mal in der Geschichte der Paralympics erhalten die Medaillengewinner die gleichen Prämien wie ihre nicht behinderten Kollegen. Für Gold bekommen die Athleten des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS) in Rio de Janeiro 20.000 Euro von der Stiftung Deutsche Sporthilfe. Silber wird mit 15.000 Euro belohnt und Bronze immer noch mit 10.000 Euro.

Erstmals waren die Prämien bei den Winterspielen 2014 in Sotschi angepasst worden. Allerdings gehen die Athleten des deutschen Paralympics-Teams bei Platz vier bis acht leer aus. Olympia-Sportler erhalten zwischen 5000 und 1500 Euro.

Popow steht mit seiner kritischen Einschätzung aber nahezu alleine da. Friedhelm Julius Beucher, DBS-Präsident, sieht die Angleichung bei den Platzierungen "als nächsten Schritt" an. Es werde "die Aufgabe nach Rio sein", so Beucher, "das auch für die Plätze vier bis zehn einheitlich zu machen. Auch diese Sportler haben Geld und Trainingsfleiß investiert und haben professionell gelebt." Und für paralympische Athleten sei das Zusammenspiel zwischen Sport, Ausbildung und Beruf "oft noch schwerer zu vereinen als für olympische".

Für Leichtathlet Mathias Mester ist es immerhin "schon mal ein kleiner Schritt, dass wir für die ersten drei Plätze gleiche Prämien kriegen. Es könnte auch für die anderen so sein, aber es ist auf einem guten Weg", meinte er.

Bei den Paralympics 2012 in London hatten die deutschen Sportler für Gold nur 7500 Euro erhalten, für Silber 5000 und für Bronze 3000. Im Vergleich dazu hatten die nicht behinderten deutschen Sportler für einen Olympiasieg in London 15.000 Euro bekommen. Bei den Paralympics 2008 in Peking gab es für die DBS-Medaillengewinner 4500 Euro (Gold), 3000 (Silber) und 1500 (Bronze).

Inzwischen sei man "auf Augenhöhe", sagte Popow. Darüber sei er "froh, dass wir das geschafft haben, aber in manchen Dingen entwickeln wir uns. Wir müssen es schaffen, eine Breitensportbasis herzustellen. Die Nachwuchsförderung, in Deutschland und weltweit, ist so schlecht, da kocht es in mir drin. Und dann will man für Platz acht eine Prämie? Das ist lächerlich."

Kritik in eine andere Richtung kommt auch von Weitsprung-Weltrekordler Markus Rehm. Er finde es zwar toll, "dass unsere Prämien angepasst wurden, da sich unser Sport unheimlich entwickelt hat. Aber das ganze Fördersystem in Deutschland muss überdacht werden", regte er im SID-Gespräch an: "Man sieht, dass bei Olympia die Erwartungen bei weitem nicht erfüllt werden. Da muss man sich Gedanken machen, wie man die Leistungsfähigkeit durch Sportförderung wieder besser auf die Reihe bekommt."

(sid)
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