Paralympics Feier-Verbot für deutsche Staffel-Helden

Rio de Janeiro · Die 4x100-m-Staffel erlebte ein echtes Wechselbad der Gefühle – an dessen Ende die Goldmedaille stand. Der Ekstase folgte das Feier-Verbot – die Staffel um Geburtstagskind David Behre durfte ihren Erfolg nicht im Deutschen Haus feiern.

Deutsche Staffel holt nachträglich Gold
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Die 4x100-m-Staffel erlebte ein echtes Wechselbad der Gefühle — an dessen Ende die Goldmedaille stand. Der Ekstase folgte das Feier-Verbot — die Staffel um Geburtstagskind David Behre durfte ihren Erfolg nicht im Deutschen Haus feiern.

Startläufer Markus Rehm hatte kurz zuvor noch den Besuch im Treffpunkt von Sportlern, Medien und Sponsoren am Strand von Barra angekündigt. "Auf eine Goldmedaille muss man einfach anstoßen", hatte der Weitsprung-Weltrekordler gesagt: "Wenn auch vielleicht nur mit Wasser und Cola. Und nicht zu lange. Wir sind Profi genug."

Daran zweifelte Bundestrainer Willi Gernemann wohl nicht, doch die besonderen Umstände dieses 12. September veranlassten ihn, jede noch so kleine Feierstunde für die geschundenen Staffel-Helden zu untersagen. Felix Streng war krank, Johannes Floors verletzt, Behre und Rehm sollten sich auf ihre kommenden Wettbewerbe konzentrieren.

"Einmal Gold und einmal Bronze, so kann man reinfeiern", sagte Behre dennoch. Und sein wichtigster Wettkampf - die 400 m, in denen es um die Thronfolge des gefallenen Superstars Oscar Pistorius geht - steigt erst noch: "Da will ich Rio noch einmal richtig rocken", sagte Behre: "Und dann kann ich auch in Ruhe Geburtstag feiern."

An seinem letzten Tag als 29-Jähriger war erst einmal eine Menge Druck von Behre und seinen Kollegen abgefallen. Zwei Jahre lang hatten sie auf dieses 4x100-m-Gold hintrainiert, sich jeden Dienstag zu einem extra Staffel-Training in Leverkusen getroffen. Es war ein geplantes, programmiertes Gold - und dann lief Schlussläufer Floors zunächst als Zweiter über die Ziellinie.

Ersatzläufer Heinrich Popow war auf der Tribüne sofort aufgesprungen, er hatte mit bloßem Auge erkannt, dass die US-Amerikaner den zweiten Wechsel zu früh vollzogen hatten. Kann ein Missgeschick sein, aber auch bloße Berechnung. 2012 waren die US-Boys schon wegen desselben Missgeschicks disqualifiziert worden. Die Geschichte wiederholte sich.

"Das kann schon ein Mordsvorteil sein", stellte Deutschlands Chef de Mission Karl Quade fest und sagte mitleidlos: "Dann müssen sie halt anders Staffel üben." Auch Rehm meinte: "Man fühlt schon mit. Aber die Freude überwiegt. Das entscheidende Unterschied war: Wir waren das bessere Team."

Für das stramme Programm, das sich das Leverkusener Quartett gesetzt hat, zahlte es am Montag aber auch schon einen durchaus hohen Preis. Vor allem Youngster Floors: Als die Nachricht von der Disqualifikation kam, verletzte sich der 21-Jährige beim Jubel-Hüpfen. "Ich habe durch meine Fehlbildung kein Kreuzband. Dadurch klappt der Unterschenkel manchmal weg", sagte er. Keine zwei Stunden später startete er über 200 m und verpasste als Vierter hinter dem neuen Europarekordler Behre nur knapp eine Medaille. Warum er laufen konnte? "Guter Physio, Knietape - und ganz, ganz viel Adrenalin", sagte Floors.

Das reichte bei Streng nicht mehr aus. Er trabte schon nach wenigen der 200 m aus. "Mir geht es seit Tagen nicht so gut", sagte der 21-Jährige: "Wir wollten keine Disqualifikation riskieren, deshalb musste ich aus Regelgründen zumindest starten."

Doch unter dem Strich waren alle vier Athleten glücklich, alle Schmerzen und Enttäuschungen rückten in den Hintergrund. "Das war richtig krass", sagte der sonst eher besonnene Rehm über den Moment der Gold-Verkündung: "Als wir es gehört haben, ist der Puls auf 220 hochgeschossen und alle sind ausgerastet."

Nur feiern durften sie nicht.

(sid)
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