Paralympics 2012 Die Fechterin im Rollstuhl

London · Simone Briese-Baetke ist an Multiple Sklerose erkrankt. Das Radfahren war ihr zu eintönig. Im April 2008 zog sie von Rostock nach Tauberbischofsheim. Im Leistungszentrum findet die 46-Jährige ideale Trainingsbedingungen vor.

 Simone Briese-Baetke ist die einzige deutsche Rollstuhlfechterin bei den Paralympics.

Simone Briese-Baetke ist die einzige deutsche Rollstuhlfechterin bei den Paralympics.

Foto: dpa, Julian Stratenschulte

Professionelle Sportler pflegen bekanntlich Rituale als Glücksbringer. So gibt es Fußballer, die sich immer einen bestimmten Schuh zuerst anziehen. Das ist auch bei den Paralympischen Spielen nicht anders. Bei Simone Briese-Baetke ist es die Kaffeemaschine. Deutschlands einzige Rollstuhlfechterin in London hat ihre eigene mitgebracht, sie steht in ihrer Wohnung im Olympischen Dorf.

"Ich bin mir bei Wettkämpfen nie sicher, ob der Kaffee auch gut ist", erzählt die 46-Jährige. Schwarz muss er sein, nicht zu schwach, und vor allem: Um sechs Uhr muss er fertig sein, "sonst geht nichts am Morgen. Und tagsüber trinke ich auch so manche Tasse", sagt die Rollstuhlfahrerin, die noch ein weiteres Stück mehr Unabhängigkeit bei den Paralympics schätzt. So hat sie sich ihre Trainingsgestelle aus Deutschland mitgebracht, damit sie dann trainieren kann, wenn sie möchte, und nicht, wenn es die offiziellen Trainingszeiten erlauben.

Radfahren zu eintönig

Seit März 2007 hat sie sich dem Rollstuhlfechten verschrieben. "Ich brauche aufgrund meiner Erkrankung einen Sport, der die Bauch- und Rückenmuskulatur stützt. Früher habe ich es mal mit Radfahren versucht, aber das ist mir zu eintönig", erzählt Simone Briese-Braetke. Ihre Multiple-Sklerose-Erkrankung trat bei der Geburt ihres Sohnes auf. Sie begann beim FC Makabi Rostock, im Februar 2008 startete sie im Müritzlandkreis Malchow bei ihrem ersten Wettkampf und belegte mit dem Degen prompt den zweiten Platz.

"Zwei Monate später bin ich dann nach Tauberbischofsheim gezogen. In Rostock gab es nur drei Fechter, und es kam leider ziemlich oft vor, dass ich zum Training gefahren bin, aber dann allein dort gestanden habe." In der Fechthochburg TBB hingegen findet sie genügend Partner — allesamt "Fußgänger", wie die Rollstuhlfahrer ihre Kollegen nennen. Und der Wechsel lohnte sich: Seit 2008 stand sie in jedem Wettbewerb auf einem Podestplatz, vor London gewann sie den Weltcup im Degen und Florett.

Rollstühle kosten 5000 Euro

Das Training kommt beiden Parteien entgegen. Da die Beine am Rollstuhl fixiert sind und der Stuhl selbst auch an einem Gestell montiert wird, erfolgen Bewegungen lediglich mit den Armen und dem Oberkörper. Das schult die Reaktionsfähigkeit. Oberhalb der Gürtellinie beginnt auch die Trefferfläche, über die Beine wird eine Decke gelegt, die geerdet ist.

Die rund 5000 Euro teuren Rollstühle, eine Spezialanfertigung, sind in ihren Gestellen mit einer Stange verbunden. Daran ist eine Schraube angebracht, so dass der Abstand variiert werden kann. "Der ausgestreckte Arm des einen muss den angewinkelten Arm des anderen berühren, zumindest im Degenfechten", erläutert der Bundestrainer im Rollstuhlfechten, Swen Strittmatter.

Diese Fixierung ist im Grunde der einzige Unterschied zum Fechten der "Fußgänger". Auch die Waffe ist die gleiche. Und diese bescherte Simone Briese-Baetke noch Ärger. Ihre Degen, vier haben die Sportler vorzulegen, müssen vor den Gefechten noch von einer technischen Kommission abgenommen werden.

Um sie besser fassen zu können, hatte die Deutsche sich den Griff mit Tapeband umwickelt — das aber war, so urteilte die Kommission, wenige Millimeter zu weit nach vorne am Griff angebracht. "Ich wollte das Tape zurückschieben, aber das reichte der Kommission nicht aus. Wir mussten alle Degen noch mal auseinandernehmen", erzählt Strittmatter.

Gut anderthalb Stunden haben die Umbauten am Sportgerät gedauert. Für Simone Briese-Baetke aber hatte das einen Vorteil: zusätzliche Zeit für einen Kaffee.

(RP/seeg)
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