Tischtennisspieler wandern aus Überall Chinesen

Düsseldorf/Rio · Wenn es nicht für einen Platz im Team der Tischtennis-Großmacht reicht, ist Auswandern die einzige Option. Auch zwei deutsche Starterinnen bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro haben chinesische Wurzeln.

Diese gebürtigen Chinesen starten für andere Nationen
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Liu Jia gegen Li Jiao. Chinesin trifft auf Chinesin. Im Tischtennis wahrlich keine Überraschung. Doch das Drittrunden-Duell ist offiziell kein chinesisches Duell. Österreich trifft auf die Niederlande. Und am Ende hat Österreich die Nase vorn. Die gebürtigen Chinesinnen Liu Jia und Li Jiao haben jeweils ein neues sportliches Zuhause gefunden. Sie sind keine Einzelfälle. Im Achtelfinale der Frauen standen nur zwei Spielerinnen, die nicht chinesischer Herkunft sind. Dabei sind pro Nation eigentlich nur zwei Spielerinnen zugelassen.

Liu Jias Biografie ist exemplarisch. Zusammen mit der späteren Olympiasiegerin Zhang Yining (2004) besuchte sie in China die Schule, spielte für einen Profiklub. Liu gewann die Schülermeisterschaft und galt als großes Talent. Doch der Ausblick auf internationale Einsätze war durch die große Konkurrenz mau. Über einen Trainer ergab sich schließlich die Möglichkeit nach Österreich überzusiedeln und dort ihrem Sport nachzugehen. Liu war damals erst 15, lernte anschließend die Sprache und wurde in diesem Jahr sogar ausgewählt, die österreichische Fahne bei der Eröffnungsfeier in Rio zu tragen.

Das Muster, auszuwandern, um an internationalen Turnieren - vor allem Olympia - teilnehmen zu können, wurde in den vergangenen Jahren häufig kopiert. "Es gibt viel zu viele gute Athleten. Es ist extrem hart, es in die Nationalmannschaft zu schaffen", sagt Jeon Ji Hee, die deshalb für Südkorea startet. Tischtennisspieler chinesischer Herkunft tragen in Rio auch Trikots von Kongo, Australien, Spanien, Frankreich, Portugal, Schweden, Polen, Slowakei, Ukraine, Katar, Kanada und USA. Wenn das deutsche Frauen-Team am Freitag auf die USA trifft, treten auch Han Ying und Shan Xiaona in Schwarz-Rot-Gold an.

Die Nummer eins der Welt schafft in China die Quali nicht

Wie stark China ist, belegt die Tatsache, dass Liu Shiwen es nicht geschafft hat, einen der beiden Plätze für Olympia zu ergattern. Dabei ist Shiwen die Nummer eins der Weltrangliste. China hat sich den Status einer nahezu unantastbaren Tischtennis-Großmacht erarbeitet. Seit 1988 gewann China 24 von 28 Goldmedaillen. Im bevölkerungsreichsten Land der Welt wird dabei nichts dem Zufall überlassen. Bereits im Alter von fünf Jahren werden Talente gesichtet und mit Nachdruck gefördert. Für manchen ist das auch zu viel sportlicher Ehrgeiz. "Ich denke, dass manche chinesische Spieler schon vor den harten Trainingsbedingungen flüchten, und dann finden sie im Ausland natürlich oft auch ein sehr angenehmes Leben", sagte Bundestrainer Jörg Roßkopf der "Welt". Kai Zhang startet für die USA und bestätigt diese These: "Wenn du Weltmeister werden willst, musst du in China trainieren. Aber wenn du eine bessere Work-Life-Balance haben willst, glücklich und frei sein willst, dann hast du es in den USA besser."

So ist der Fall anders gelagert als bei der Türkei, die aktiv afrikanische Leichtathleten suchte, einbürgerte und bei den Europameisterschaften unlängst plötzlich Medaillen gewann. Oder als bei Katar, das sich ein Handballteam zusammenkaufte und für die heimische Fußball-WM 2022 Ähnliches im Schilde führt. Im Tischtennis sind es die Athleten, die sich andernorts neue Perspektiven suchen. Deshalb bleibt Richard Prause, Sportdirektor beim Deutschen Tischtennisbund, gelassen: "Wir haben großen Respekt vor den Chinesen, und es ist ja nicht so, dass täglich irgendwo jemand eingebürgert wird. Der internationale Tischtennisverband hat da in den vergangenen Jahren schon viel reguliert."

(erer)
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