Sprinter bei Olympia Bromell könnte der Nachfolger von Usain Bolt werden

Tokio · Usain Bolt genießt die Rente, es wird ein neuer Sprint-König gesucht — Trayvon Bromell soll die Ehre der USA wiederherstellen. Dabei schien seine Karriere schon beendet.

 Trayvon Bromell könnte der nächste Sprint-Olympiasieger werden.

Trayvon Bromell könnte der nächste Sprint-Olympiasieger werden.

Foto: AP/Chris Carlson

Die Apostelgeschichte des Lukas, der Brief des Paulus an die Philipper oder die Bergpredigt - bevor die Show beginnt, sucht sich Trayvon Bromell einen ruhigen Platz, holt seine Bibel raus und liest. Es ist ein Ritual, das ihm Kraft gibt. Bromell, Nummer eins der Welt über 100 m und erster Anwärter auf das Erbe von Usain Bolt, lässt "keinen Tag vergehen", an dem er dem Herrn "nicht dankt. Ohne Gott, ohne Glauben könnte ich nicht laufen."

Und wie Bromell rennt in diesem Jahr - nach all den Schmerzen, Rückschlägen und Verletzungen in den vergangenen Jahren. Zuletzt sprintete der 26-Jährige aus den USA 9,77 Sekunden, damit ist er natürlich der große Favorit auf das wichtigste Olympia-Gold in Tokio - Bromell soll nach der Ära Bolt die Sprintehre der USA wiederherstellen. Zumal Weltmeister Christian Coleman gesperrt ist.

Für Bromell wäre es eine Art sportliche Wiedergeburt. Der Mann aus Florida könnte endlich das Versprechen einlösen, das er 2015 als erst 20-Jähriger mit WM-Bronze in Peking abgegeben hatte. Es dorthin zurückgeschafft zu haben, "wo ich wieder bin, gibt mir viel zu denken", sagte Bromell vor den Vorläufen an Samstag (12.45 Uhr MESZ), er habe sich aus "einer wirklich dunklen Gasse" herausgekämpft: "2018 hatte ich keinen Grund, noch zu leben".

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Foto: dpa/Petr David Josek

Nach zwei Achillessehnen-Operationen drohte ihm das Karriere-Aus. Die Ärzte hätten ihm gesagt, dass er "nie wieder in Topform" kommen werde, "aber Gott war anderer Meinung", sagte Bromell. Er scheut sich nicht, über Schwächen zu reden und psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. So hat er es geschafft, "mehr Frieden zu haben, richtig zu leben und mich nicht von innen heraus zu zerstören".

Bromell ist der komplette Gegenentwurf zu den grimmigen US-Sprintern Justin Gatlin, der 2004 das bisher letzte Olympia-Gold über 100 m für die USA holte, und Coleman, deren Titel und Zeiten von Doping-Vergehen überschattet werden. Bromell liebt die Fotografie, interessiert sich für Mode und liest viel. Und angeblich ist ihm Olympia-Gold gar nicht so wichtig. "Was mich am meisten motiviert, ist, dass Kinder mich ansehen und mich als Vorbild sehen", sagte Bromell: "Als ich klein war, hat mich niemand gesehen - ich war wie ein Schatten."

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Bromell hat nicht vergessen, wo er herkommt. Nämlich "aus einer schlechten Gegend, in der es viel Armut gibt, wir hatten nicht wirklich viel", sagte er. Seine Mutter und seine langjährige Trainerin Garlynn Boyd gaben ihm Halt und Anstand mit. Im Vorjahr ist "Coach G" an den Folgen einer Coronavirus-Infektion verstorben. "Worte können den Schmerz, den ich fühlte, nicht beschreiben", sagte Bromell. In Tokio rennt er auch für sie.

(SID/cma)
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