Die "kaputte Schallplatte" läuft wieder Doping-Verdächtigungen gegenüber russischen Sportlern werden lauter

Tokio · Nach den Wada-Sanktionen trumpfen Russlands Sportler in Tokio auf. Wegen der Doping-Vorgeschichte ist das für einige Konkurrenten schwer zu akzeptieren. Die Kritik wird lauter.

 Dominant: Der russische Schwimmer Jewgeni Rylow.

Dominant: Der russische Schwimmer Jewgeni Rylow.

Foto: dpa/Oliver Weiken

Der Generalverdacht lebt, und das ziemlich öffentlich. Während Jewgeni Rylow nach seinem Triumph über 200 Meter Rücken durch den Mund-Nase-Schutz im Katzenlook in die Kameras lächelte, brodelte es im geschlagenen US-Star Ryan Murphy gewaltig.

"Ich schwimme in einem Rennen, das wahrscheinlich nicht sauber ist", sagte der Goldmedaillengewinner von Rio und spielte damit auf seinen russischen Nachfolger an. Auf die Frage, ob das Finale fair gewesen sei, antwortete Murphy: "Ich habe etwa 15 Gedanken, 13 davon würden mir jede Menge Ärger einbringen."

Der britische Bronzemedaillengewinner Luke Greenbank versuchte erst gar nicht, das Thema Betrug zu umschiffen. "Als Sportler ist es natürlich frustrierend, wenn man weiß, dass es ein staatlich gefördertes Dopingprogramm gibt, und das Gefühl hat, dass vielleicht mehr dagegen getan werden könnte", sagte er.

Offiziell gibt es dieses staatlich geförderte Dopingsystem, mit dem die Welt bei Russlands olympischem Goldregen in Sotschi 2014 dreist hinters Licht geführt wurde, ja nicht mehr. Der Sumpf wurde nach den skandalösen Enthüllungen der Whistleblower Julia Stepanowa, Witali Stepanow und Grigori Rodtschenkow schrittweise trocken(er) gelegt, die Welt-Anti-Doping-Agentur Wada sperrte das russische nationale Komitee ROC für vier Jahre. Eine Entscheidung, die vom Internationalen Sportgerichtshof CAS halbiert wurde und nur noch bis Dezember 2022 gilt.

335 russische Sportlerinnen und Sportler sind dennoch in Tokio dabei – mehr als in Rio –, nur starten sie eben nicht für Russland, sondern für das ROC. Bei Siegerehrungen wird nicht die Landesflagge gehisst, sondern eine neutrale, anstelle der Hymne hört man das Klavierkonzert Nr. 1 von Peter Tschaikowsky.

Dies geschah ziemlich häufig bislang, für manch einen verdächtig häufig. Am Freitag und damit noch vor Halbzeit der Spiele knackten die Russen die Marke von 30 gewonnenen Medaillen. Das ausgegebene Minimalziel 40-mal Edelmetall dürfte locker übertroffen werden.

Das ROC nahm die Attacken zur Kenntnis und konterte mit einem sarkastischen Statement, in dem jedes Wort genüsslich gewählt wurde. "Wie zermürbend unsere Siege für einige unserer Kollegen doch sind. Ja, wir sind hier, bei den Olympischen Spielen. Wir haben jedes Recht. Ob es jemandem gefällt oder nicht. Man muss auch mal verlieren können. Aber nicht jeder weiß, wie das geht", teilte das ROC bei Twitter mit.

Und weiter: "Die kaputte Schallplatte spielt wieder einmal das Lied über das russische Doping, und jemand drückt fleißig auf den Knopf der englischsprachigen Propaganda."

Die dopingverseuchte Vergangenheit hat Spuren hinterlassen, auf allen Seiten. Manch einen nervt das gewaltig, wie etwa Tennis-Star Daniil Medwedew. Der verlor komplett die Nerven, als er gefragt wurde, ob er und seine Landsleute sich stigmatisiert fühlen. "Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich eine Frage nicht beantworten", retournierte der Weltranglistenzweite: "Sie sollten sich für sich selbst schämen. Man sollte ihn von den Spielen ausschließen!"

Die International Testing Agency, die bei den Spielen die Hoheit über die Dopingproben besitzt, gab am Freitag bekannt, dass das ROC-Team an Platz vier der meistgetesteten Delegationen liegt. Ergebnisse wird man erst in einiger Zeit erfahren. Und dann hätte eine der Konfliktparteien Grund, um Entschuldigung zu bitten.

(dör/SID)
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