"Seit Jesse Owens nicht mehr gesehen" Lavillenie entschuldigt sich für Vergleich mit Nazi-Spielen

Rio de Janeiro · Renaud Lavillenie hat nach den Buhrufen des Publikums in Rio de Janeiro um Entschuldigung für seinen irritierenden Jesse-Owens-Vergleich gebeten. Der Weltrekordler musste sich bei Olympia mit Silber begnügen.

 Renaud Lavillenie war über Silber sehr enttäuscht.

Renaud Lavillenie war über Silber sehr enttäuscht.

Foto: afp

Thiago Braz da Silva hüpfte wie aufgedreht auf und ab, voller Stolz trug er die brasilianische Fahne durchs Stadion, die Fans tobten. Da Silva kürte sich mit 6,03 m als erster Brasilianer überhaupt zum Olympiasieger im Stabhochsprung, sein Triumph über den Weltrekordler Renaud Lavillenie war eine große Überraschung. Und er wurde zum riesigen Aufreger.

"Ich habe den Brasilianern nichts getan. 1936 war die Menge gegen Jesse Owens. Seitdem habe ich so etwas nicht mehr gesehen. Wir müssen uns damit beschäftigen", sagte Lavillenie, der sich mit übersprungenen 5,98 m geschlagen geben musste: "Das war kein Fair Play." Seine Wut war verständlich, doch sein Vergleich mit den Nazi-Spielen war völlig daneben - zumal historisch nicht korrekt.

Die Fans im Stadion hatten Lavillenie immer wieder niedergepfiffen, der 29-Jährige war angesichts des ausgesprochen unfairen Verhaltens sichtlich verärgert. Dem London-Olympiasieger hallten bei jedem seiner Versuche lautstarke Buhrufe entgegen. "Wir sehen so etwas im Fußball. Es ist das erste Mal, dass ich es in der Leichtathletik erlebt habe", sagte der Franzose angefressen: "Das ist der größte Moment deines Lebens, ich kann darüber nicht glücklich sein." Vor seinem letzten Versuch senkte er den Daumen für die Zuschauer. Bronze gewann Sam Kendricks für die USA (5,85).

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Später bat Lavillenie um Entschuldigung für den Owens-Vergleich. "Das war ein großer Fehler von mir", sagte er kleinlaut: "Es waren meine ersten Worte nach dem Wettkampf, aus der Emotion heraus. Selbstverständlich kann man das nicht vergleichen." Die Kritik an den Zuschauern dagegen bleibe bestehen.

Da Silva wusste gar nicht, wie ihm geschah. Der neue Nationalheld steigerte im Wettkampf seines Lebens seine Bestleistung um unglaubliche elf Zentimeter. "Ich bin sehr glücklich, für Brasilien ist das überragend", sagte da Silva, der das erste Männer-Gold in der Leichtathletik für Brasilien seit 32 Jahren gewann. 1984 hatte Joaquim Cruz über 800 m triumphiert.

Es war ein Stabhochsprung-Showdown auf höchstem Niveau, das sich da Silva und Lavillenie lieferten. Nachdem der Wettkampf wegen strömenden Regens unterbrochen werden musste, kam es zur Flugschau über mehrere Stunden. "Es ist unglaublich", sagte da Silva (22), der den großen Sergej Bubka als seinen Helden bezeichnet und von dessen ehemaligem Trainer Witali Petrow betreut wird.

Bei der WM 2015 war da Silva noch in der Qualifikation gescheitert, jetzt holte er seine erste Medaille bei einer großen Meisterschaft. Und dann gleich Olympia-Gold. "Ohne Träume ist das Leben nichts wert", sagte da Silva: "Ohne Ziele haben Träume keine Grundlage."

(sid)
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