Stabhochspringerin hört auf Issinbajewa fühlt sich als Opfer

Rio De Janeiro · Die Russin startet eine Karriere als Sportfunktionärin. In Rio greift sie erneut den Leichtathletik-Weltverband an.

Jelena Issinbajewa: Stabhochspringerin, Weltrekordlerin, Funktionärin
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Das ist Jelena Issinbajewa

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Foto: AP

Da sie ihr für den Abend die sportliche Bühne im Olympiastadion verwehrt hatten, nahm sich Jelena Issinbajewa gestern Mittag im olympischen Pressekonferenzzentrum von Rio eben eine andere. Und es dauerte nur wenige Momente, bis die Stabhochsprung-Olympiasiegerin von 2004 und 2008 den Satz sagte, den viele wohl als zentrale Botschaft ihres Auftritts erwartet hatten. "Ich fühle mich als Opfer", sagte die 34-Jährige mit Blick auf den Ausschluss russischer Sportler von diesen Spielen durch den internationalen Leichtathletikverband (IAAF) wegen des Vorwurfs staatlich organisierten Dopings. Und weil sie sich als Opfer fühlt, bedankte sich Issinbajewa auch erstmal bei den großteils russischen Journalisten im Saal, "dass ihr mich unterstützt".

Was folgte, war ein Mix aus Unschuldsbekundungen, kruden Botschaften und Seitenhieben, gezielt für diesen Tag ausgewählt, an dem Stunden später die Medaillen im Stabhochsprung der Frauen vergeben wurden. Seit Sonntag lebt Issinbajewa im Olympischen Dorf. Sie sei hier, um ihre Landsleute aus den anderen Sportarten zu unterstützen, hieß es, aber natürlich war die Weltrekordlerin (5,06 m) vor allem hier, um bei den Athleten darum zu werben, sie doch bitte in die Athletenkommission des IOC zu wählen.

Und ihr Werben hatte Erfolg. Sie wurde gewählt — wie auch die Leverkusener Fechterin Britta Heidemann —, und so ist sie nun für acht Jahre IOC-Mitglied und darf ihre Stimme und Ansicht in olympische Angelegenheiten einbringen, auch bei der Vergabe der Spiele 2024.

Am Tag nach ihrer Wahl hielt Issinbajewa vor den Medienvertretern gleich ihre Antrittsrede als Athletenvertreterin. Da musste der Pathos aus dem Mikrofon fließen. "Ich werde alles tun, um die Rechte von sauberen Athleten überall auf der Welt zu verteidigen", tat sie kund. "Athleten dürfen nicht dafür be-straft werden, dass andere Athleten nicht sauber sind." Dass es außerhalb Russlands durchaus Zweifel daran gibt, dass sie zu jeder Zeit sauber war, ringt ihr nur ein Lächeln ab. "Ich war immer sauber, ich habe meine Laufbahn vor euren Augen bestritten", rief sie den Zuhörern zu.

Die IAAF und vor allem deren von Issinbajewa nicht namentlich genannter Präsident Sebastian Coe - das sind die Täter in diesem Weltbild. Sie werde denjenigen nie verzeihen, die sie hier von Rio ausgeschlossen hätten, hatte sie bei ihrer Ankunft noch gegiftet. Nun, als IOC-Mitglied, versuchte sich Issinbajewa in etwas mehr Diplomatie. "Ich bin kein Richter, ich bin nicht Gott. Gott soll über diese Leute richten", sagte sie.

Sie und ihre russischen Leichtathletik-Kollegen hätten alles getan, um die Nachweise der IAAF über ihre Sauberkeit zu erbringen. Aber das sei nicht genug gewesen, klagte Issinbajewa. "Ich bin fünfmal von ausländischen Dopingtestern getestet worden. Ich war immer sauber. Aber es hat ihnen nicht gereicht." IOC-Präsident Thomas Bach lobte sie ausdrücklich. Das IOC hatte sich ja bekanntlich auch gegen Russlands kompletten Ausschluss ausgesprochen.

Wie erfolgreich Issinbajewa, die ihren Rücktritt vom aktiven Sport erklärte, in ihrer neuen Rolle als Sportdiplomatin sein wird, bleibt abzuwarten. Bisher war sie eher als verbaler Dampfhammer bekannt. So warf sie Deutschland Ende Mai staatliches Doping vor. Nächsten Monat will sie Präsidentin des russischen Leichtathletikverbandes werden. Kaum jemand zweifelt daran, dass sie es wird. Es wird den Einfluss der bekennenden Sympathisantin von Wladimir Putin mehren. Wobei Issinbajewa in Rio allen Athleten zurief: "Lasst euch nicht für politische Zwecke missbrauchen!"

Sie meinte das tatsächlich ernst.

(klü)
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