Analyse Katar will Deutschland Olympia wegschnappen

Düsseldorf · Am Tag, als das IOC seine Reformvorschläge vorstellte, bekam Doha den Zuschlag für die Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2019. Die könnten als Testlauf für die Sommerspiele 2028 dienen, die auch Berlin und Hamburg im Blick haben.

 Die Leichtathletik-WM soll für Katar erst der Anfang sein.

Die Leichtathletik-WM soll für Katar erst der Anfang sein.

Foto: dpa, mr

Katar hat sich wieder eine Weltmeisterschaft von Rang gesichert. 2019 finden die Titelkämpfe der Leichtathleten in Doha statt. Die Hauptstadt des Emirats am Persischen Golf setzte sich gegen das favorisierte Eugene (US-Staat Oregon) und Barcelona durch und folgt damit auf Peking 2015 und London 2017 als Gastgeber für die besten Läufer, Werfer und Springer.

Der spanische Leichtathletikverband (RFEA) hat scharfe Kritik an der Vergabe geübt. Verbandspräsident José María Odriozola behauptete, der Golfstaat habe die WM gekauft. "Das Einzige, was sie dort (in Doha) haben, ist Geld", sagte er. Katar habe dem Weltverband IAAF neben dem ursprünglichen Budget nachträglich noch 28 Millionen Euro angeboten.

Die Weltmeisterschaften in der olympischen Kernsportart Leichtathletik dürften ein Testlauf für eine neuerliche Kandidatur um die Sommerspiele sein. Für 2016 und für 2020 hatte sich das Emirat schon beworben, es aber nicht in die Endauswahl geschafft. Bewerbungschefin Noora Al-Mannai kündigte an: "Wir werden wiederkommen und stärker sein." Katar ist auf sportpolitischem Terrain hartnäckig. Man darf davon ausgehen, dass sich die 500.000-Einwohner-Stadt Doha um Olympia 2024 und/oder 2028 bewerben wird. Damit wäre die Stadt ein Konkurrent für Berlin oder Hamburg, die ebenfalls eine Bewerbung anstreben.

Für 2024 haben freilich weder die deutsche noch die katarische Bewerbung eine realistische Chance. Die deutsche nicht, weil die Fußball-Europameisterschaft mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hierzulande stattfinden wird und zwei Großereignisse in einem Land sportpolitisch unmöglich sind. Katar wird 2024 ebenfalls nicht zum Zug kommen, da das Land geografisch zu Asien gehört und Japans Hauptstadt Tokio schon 2020 an der Reihe ist. Zwei Sommerspiele hintereinander auf einem Kontinent hat es seit der Nachkriegszeit (London 1948/Helsinki 1952) nicht mehr gegeben. Ein deutsch-katarisches Duell könnte es also um Olympia 2028 geben.

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Katar steht international massiv in der Kritik, weil es weiterhin Zweifel daran gibt, ob das Emirat die Fußball-WM 2022 rechtmäßig bekommen hat. Mit aller Macht drängt das Land auf die Weltkarte des Sports. Wie wichtig das Thema Sport dort ist, wird durch die Doppelfunktion von Emir Hamad Al Thani deutlich: Staatsoberhaupt und Präsident des Nationalen Olympischen Komitees. Im Dezember ist er Gastgeber für die Kurzbahn-Weltmeisterschaften der Schwimmer, im Januar empfängt er die Handballer. Auch die Weltmeisterschaften im Straßenradsport (2016) und im Kunstturnen (2018) finden in Katar statt.

Die Titelkämpfe der Leichtathleten in fünf Jahren sind für Ende September/Anfang Oktober terminiert, wenn es nicht mehr ganz so heiß wie im Hochsommer ist. Auch dieser Termin könnte ein Vorgeschmack auf Olympische Spiele am Golf sein. Die finden zwar üblicherweise im August statt, doch hat es von dieser Regel schon Ausnahmen gegeben: für die Spiele auf der Südhalbkugel, in Melbourne (22. November bis 8. Dezember 1956) und Sydney (15. September bis 1. Oktober 2000). Bei Dohas Bewerbung für 2020 galt der genannte Termin im Oktober noch als Schwachpunkt, weil angeblich die Vermarktungsmöglichkeiten dann schlechter seien als im Juli und August. Doch diese Sichtweise ist diskutabel.

Freilich werden auch im Frühherbst am Persischen Golf noch sportunfreundliche Temperaturen erreicht. "Ich denke, dass wir mit Doha sowohl von den klimatischen Bedingungen als auch vom Zeitpunkt her vor großen Herausforderungen stehen", sagte Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, "2019 wird damit eine lange Saison. Insgesamt bin ich überrascht, dass sich Doha durchgesetzt hat."

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Spiele in Katar passen freilich nicht in das Bild, das das Internationale Olympische Komitee mit seinen gestern veröffentlichten 40 Reformvorschlägen zeichnen möchte. Nach der harten internationalen Kritik - insbesondere zuletzt an den mehr als 35 Milliarden Euro teuren Retortenspielen in Sotschi - arbeitet das IOC gegen das Image des Gigantismus. Nicht unbedingt aus Überzeugung, sondern weil die Spiele in westlichen Ländern nur so eine Zukunft haben. Katar indes steht für Milliardenausgaben. Retorte und Gigantomanie.

Das Imageproblem Olympias war deutlich geworden, als die Zahl der Interessenten an den Winterspielen 2022 Monat um Monat schrumpfte, bis kein Europäer mehr übrig und nur noch Almaty in Kasachstan und Peking im Rennen waren. Dank Rücklagen von fast 700 Millionen Euro und eines Fernsehvertrags mit dem US-Sender NBC, der bis 2032 fast sieben Milliarden Euro sichert, muss das IOC noch nicht ums Überleben kämpfen. Dennoch ist IOC-Präsident Thomas Bach der Ansicht, dass ein Kurswechsel notwendig ist, um Olympia dauerhaft zu sichern.

Das Reformpaket, das die Vollversammlung des IOC am 8. und 9. Dezember in Monaco verabschieden muss, passt in wesentlichen Punkten nicht zu Plänen, wie man sie von Doha erwarten darf. Olympias Spitzen wünschen sich ausdrücklich, dass die Spiele so weit es geht auf bestehenden Anlagen ausgetragen werden. Für Olympia reicht die Sportinfrastruktur in Katar aber noch nicht. Künftig will das IOC stärker auf die Rahmenbedingungen der Spiele achten. Stichwort: Menschenrechte.

Beim Bau der Stadien für die Fußball-WM wird immer wieder von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen geschrieben, auch wenn Franz Beckenbauer feststellte: "Ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen."

(RP)
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