Keine Entscheidung über Olympia-Teilnahme IOC öffnet Tür für Russlands Rückkehr

Köln · Das IOC empfiehlt die Wiederzulassung russischer und belarussischer Athleten in den Weltsport - trotz heftiger Kritik. Die Entscheidung über die Spiele in Paris ließ Präsident Thomas Bach offen.

 Das IOC empfehlt die Rückkehr russischer und belarussischer Athleten in den Wettkampfbetrieb.

Das IOC empfehlt die Rückkehr russischer und belarussischer Athleten in den Wettkampfbetrieb.

Foto: dpa/Laurent Gillieron

Thomas Bach nahm eine geschlagene Viertelstunde Anlauf, ehe er in der IOC-Zentrale in Lausanne die folgenschwere Nachricht verkündete: Das Internationale Olympische Komitee mit seinem deutschen Präsidenten an der Spitze öffnet Russlands Athletinnen und Athleten die Tür zur Rückkehr in die Sportgemeinschaft. Als einen „Schlag ins Gesicht der ukrainischen Sportlerinnen und Sportler“, wertet Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Entscheidung.

Bach wusste genau, was er nach der Sitzung seiner Exekutive von seinem Blatt ablas, er wusste auch um die Reaktionen, die von der Empfehlung des IOC an die Weltverbände ausgehen. „Wir können keine Lösung bieten, die allen gefällt“, sagte er. Die Lösung, die er präsentierte, war nicht mehr überraschend, das IOC hatte sich seit Monaten nicht mehr mit der Frage beschäftigt, ob russische und belarussische Athletinnen und Athleten zurückkehren dürfen, sondern nur mit dem „Wie“.

Das soll nun unter Bedingungen wie strikter Neutralität passieren. Teams bleiben ausgeschlossen, Angehörige des Militärs ebenso. Das sei „nur das absolute Minimum und reicht nicht aus“, sagte Faeser, die sich als erste der zahlreichen Gegnerinnen des IOC-Weges äußerte.

„Der internationale Sport muss den brutalen russischen Angriffskrieg in aller Klarheit verurteilen. Das geht nur mit einem kompletten Ausschluss russischer und belarussischer Athletinnen und Athleten“, erläuterte Faeser: „Wer den Kriegstreiber Russland internationale Wettbewerbe für seine Propaganda nutzen lässt, der schadet der olympischen Idee von Frieden und Völkerverständigung.“

Der Deutsche Olympische Sportbund erklärte, „weiterhin gegen die Wiederzulassung“ zu sein: „Aber wir akzeptieren, dass wir mit dieser Haltung einer Minderheit im internationalen Sport angehören.“ Es müsse „unbedingt vermieden werden, dass die Regime in Russland und Belarus die Teilnahme ihrer Athlet*innen am internationalen Sport zu kriegspropagandistischen Zwecken missbrauchen können“. Ob dies möglich ist, werden erst die kommenden Monate zeigen.

DOSB-Ehrenpräsident Bach versicherte, dass auch erst dann eine finale Entscheidung über die Teilnahme russischer und belarussischer Sportler an den Olympischen Spielen in Paris 2024 fallen werde. Wann genau und auf welcher Grundlage, ließ er offen. Ebenso eine Antwort auf die Frage, warum die IOC-Argumentation zur Diskriminierung nicht für die Zulassung zu den kommenden Großereignissen ausreiche.

„Diskriminierung“ beklagten die Russen am Dienstag. „Die angekündigten Kriterien für die Rückkehr zu internationalen Wettbewerben sind inakzeptabel“, sagte ROC-Präsident Stanislaw Posdnjakow bei einer live im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz. Dagegen schrieb Polens Außenminister Piotr Wawrzyk von einem „Tag der Schande für das IOC“.

Das IOC stützt sich auf eine angeblich „große Mehrheit“ der Mitgliedsverbände und die Beratung von Sonderberichterstatterinnen der Vereinten Nationen, die sich gegen jegliche Form von Diskriminierung ausgesprochen hatten. Laut Bach hätten die UN-Vertreterinnen auch das vom DOSB in Auftrag gegebene Rechtsgutachten in ihre Überlegungen einbezogen, das „legitime Gründe“ für einen Ausschluss sieht - auch „friedenspolitische“.

Faeser wurde deutlicher. „Es gibt keinerlei Grund für eine Rückkehr Russlands in den Weltsport. Putin führt seinen verbrecherischen Krieg weiter mit entsetzlicher Brutalität gegen die ukrainische Zivilbevölkerung“, sagte die Politikerin und entgegnete Bach, der den apolitischen Status des Sports vor sich herträgt: „Olympische Spiele finden nicht im luftleeren Raum statt.“

Noch am Montag forderten mehr als 320 Fechterinnen und Fechter die IOC-Delegierten auf, „die von Ihnen empfohlenen Suspendierungen der russischen und belarussischen Fechtverbände und Nationalen Olympischen Komitees aufrechtzuerhalten“. Ihr eigener Weltverband hatte den Bann in vorauseilendem Gehorsam gekippt.

„Dieser ungeheuerliche, einseitige Angriffskrieg und der Bruch des Olympischen Friedens dürfen nicht ignoriert oder gar gebilligt werden“, steht in dem Offenen Brief. Und: „Die internationale Gemeinschaft ist sich vollkommen darüber im Klaren, dass im Fall der russischen und belarussischen Sportler*innen die Trennung zwischen Sport und Staat kaum vollzogen werden kann.“

(SID/loy)
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