Interview mit Alfons Hörmann "Zustand der Sportstätten ist bedenklich"

Frankfurt/M. · DOSB-Präsident Alfons Hörmann beklagt im Interview mit unserer Redaktion den Zustand vieler Sportanlagen. "Wir haben einen enormen Sanierungsstau", sagt Hörmann.

 DOSB-Präsident Alfons Hörmann.

DOSB-Präsident Alfons Hörmann.

Foto: dpa, mkx nic

Unter dem Dach des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) versammeln sich aktuell mehr als 27 Millionen Mitglieder. Alfons Hörmann führt den Verband ehrenamtlich. Gemäß Satzung hätte er Anspruch auf 250 Euro Aufwandsentschädigung — im Monat. Aber auf die, sagt er, "verzichte ich aus Prinzip vom ersten Tag an." Sein Geld verdient er als Unternehmer.

Herr Hörmann, wann haben Sie Ihre letzte Bratwurst bei einer Sportveranstaltung gegessen?

Hörmann Am vergangenen Samstag im Allgäu. Ich bin ehrlich gesagt öfter und lieber am Bratwurst-Stand als im VIP-Zelt. Einige Veranstalter sind dann überrascht, wenn ich mir außerhalb etwas besorge. Ich bleibe der Bratwurst-Fraktion treu, weil ich es gerne bodenständig mag. Da kommt wohl die bayerische Herkunft zum Tragen.

Was sind denn die Hauptklagen, die Sie von Vertretern der Basis am Bratwurststand zu hören bekommen?

Hörmann Ich höre viele positive Sportgeschichten von Menschen, die sich in der Regel ehrenamtlich engagieren und Herausragendes leisten. Aber natürlich auch Berichte von Menschen, die mit Sorgen und Nöten zu kämpfen haben. Dinge, von denen ich sage, da sind erkennbar Grenzbereiche erreicht.

Was sind das für Probleme?

Hörmann Es geht oft um die finanzielle Ausstattung der Vereine. Beispielsweise um die Frage, wie viele Vereine an der Basis können sich echten Leistungssport noch leisten? Wie viel Belastung ist noch zumutbar? Dazu kommen immer neue bürokratische Hürden. Da stellt sich irgendwann die Frage, ob es zwingend notwendig ist, einen Wirtschaftsprüfer und einen Juristen im Vorstand zu haben, weil man sonst im Ehrenamt völlig verloren wäre.

Hört sich nach einer eher düsteren Zustandsbeschreibung des deutschen Sports an.

Hörmann Keine düstere, sondern eine ehrliche. Vieles unter dem Dach von Sportdeutschland ist gut, einiges könnte deutlich besser sein. Es gibt teilweise einfach Rahmenbedingungen, durch die die Arbeit vor Ort massiv erschwert wird. So ist es eine sehr bedenkliche Situation, wenn man sich mit der Infrastruktur im Sport beschäftigt, wenn man sich den Zustand vieler Schwimmbäder, Hallen und Stadien ansieht. Wir haben einen enormen Sanierungsstau. Das ist ein riesengroßes Thema für die Vereine an der Basis.

Rechnen Sie damit, dass es ein größeres Vereinssterben geben könnte, weil es nicht ausreichend geeignete Sportstätten gibt?

Hörmann Der Gesamtzustand der Sportanlagen nähert sich mehr und mehr einem besorgniserregenden Zustand. In Teilbereichen sind wir tatsächlich schon an einem existenzbedrohenden Punkt angekommen. Wenn ein Stadion zum Beispiel für Leichtathletik nicht mehr nutzbar ist, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, wie es mit den betroffenen Vereinen und Athleten weitergehen soll. Und oft wird die Antwort sein: Es geht dann eben schlichtweg nicht weiter.

Die Flüchtlingskrise hat die Situation zusätzlich verschärft, etliche Hallen wurden übergangsweise zu Notunterkünften umfunktioniert. Vielerorts haben sich Vereine von der Politik mit den Problemen im Stich gelassen gefühlt.

Hörmann Das sehe ich eher aus der anderen Perspektive. Die Flüchtlingskrise hat für mich vor allem gezeigt, was der Sport Großartiges leisten kann. Die Sportvereine waren schon jeden Tag aktiv, als in den Behörden noch über irgendwelche Regularien diskutiert wurde, und sie sind es heute noch. Aber man muss natürlich sehr gut im Blick behalten, dass es nicht zu einer dauerhaften Belastung und Manchenorts auch zu einer klaren Überlastung der Ehrenamtler führt.

Wird der Sport hierzulande ausreichend gewürdigt?

Hörmann Man sieht, dass die Politik die Wichtigkeit des Sports auf der Agenda hat. Bestes Beispiel ist ja die Zuordnung des Sports in der neuen Landesregierung in NRW. Der deutsche Sport leistet hervorragende Arbeit — 90.000 Vereine mit mehr als 27 Millionen Mitgliedschaften. Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck hat es so ausgedrückt: Auf den ersten Blick ist es Sport, auf den zweiten Gestaltung der Gesellschaft. Da ist sehr viel Wahres dran.

Das von ihnen angesprochene Ressort für Sport in der Landesregierung NRW wird "nur" von einer Staatssekretärin geführt. Klingt nicht nach erster Reihe im politischen Betrieb.

Hörmann Sehen Sie, am Ende ist doch entscheidend, was man daraus macht. Der Titel ist mir egal. Wichtig ist doch, dass Ministerpräsident Armin Laschet dem Thema persönlich immense Bedeutung zumisst und es zur Chefsache erklärt hat. Ich bin mir sicher, dass es viele wichtige Impulse aus NRW für den Sport in diesem Land geben wird.

Es gibt eine gefühlte Wahrnehmung, dass es gegenüber dem Fußball und anderen sportlichen Großereignissen eine gewisse Müdigkeit des Publikums gibt. Wie empfinden Sie es?

Hörmann Wenn man sich auf Zahlen, Daten, Fakten beruft, dann kann man diese Wahrnehmung jedenfalls nicht ganz nachvollziehen. Die Deutsche Fußball-Liga kann jedes Jahr aufs Neue Rekordzahlen vorlegen und auch in anderen Bereichen des Sports — so auch bei den Olympischen und Paralympischen Spielen — ist die Entwicklung positiv.

Dennoch ist da dieses Misstrauen, dass im Sport vieles falsch laufen soll.

Hörmann Dass es Kritik gibt, durchaus berechtigte zudem, finde ich völlig legitim. Die Dopingproblematik in Russland, Verfehlungen auf internationaler Sportebene, das sind Themen, die den Menschen nicht gleichgültig sind. Wir sind gefordert, diese Stimmen ernst zu nehmen und nicht nur als lästig abzutun.

Justizminister Heiko Maas hatte am vergangenen Wochenende angeregt, einen Schlussstrich unter die Doping-Ära speziell im deutschen Radsport zu ziehen. Machen Sie jetzt einen Punkt?

Hörmann Es ist weder sachgerecht noch möglich oder sinnvoll, die Diskussion über das Thema Doping im Sport für beendet zu erklären. Wir haben uns auch künftig kritisch und selbstkritisch mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen und unsere Lehren daraus zu ziehen. Der Erlass von Gesetzen ist nur die eine Seite der Medaille. Die Übernahme der moralischen und praktischen Verantwortung die andere.

Gianni Costa führte das Gespräch.

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