St. Louis 1904 Im Schatten der Weltausstellung

Athen (rpo). Die Olympischen Spiele als Randerscheinung - was heute unvorstellbar erscheint, war 1900 in Paris und auch vier Jahre später in St. Louis Realität. Pierre de Coubertin, der Begründer der Olympischen Spiele der Moderne, hatte geahnt, dass das Sportereignis auch in St. Louis im Schatten der Weltausstellung stehen würde. Er blieb daher in Frankreich.

Auch sein Heimatland schickte keine Mannschaft über den großen Teich und wurde nur durch einige paar Franko-Amerikaner vertreten. Die deutschen Olympia-Pioniere waren mutiger und machten sich auf nach Westen, angeführt von Coubertin-Stellvertreter Willibald Gebhardt aus Berlin.

Mit fünf Goldmedaillen - die es erstmals gab - belegten sie, vor allem dank ihrer Schwimmer, sogar Rang zwei der Nationenwertung. Was nicht allzuviel besagte. Gastgeber USA gewann 80 der rund 100 Wettbewerbe, soweit sie sich überhaupt sortieren ließen.

Denn Coubertin hatte mit seiner Befürchtung richtig gelegen. Wie vier Jahre zuvor bildete Olympia auch am Zusammenfluss von Missouri und Mississippi nur die Staffage zur Weltausstellung, und die zog sich über fünf Monate hin.

Auf diesem sportlichen Rummelplatz durften sich die Besucher an Tauziehen oder Steinwerfen erfreuen, am Kopfweitsprung vom Turm ins Wasser oder am "Gummimann" Ray Ewry (USA), der wie schon 1900 in allen drei Sprungwettbewerben aus dem Stand konkurrenzlos war.

Zudem waren die ersten Schwarz-Afrikaner als Olympiateilnehmer zu bestaunen. Zwei Zulus, eigentlich nur zur Safari-Werbung bei der Weltausstellung mitgebracht, wurden von Südafrika auch auf die Marathonstrecke geschickt. Einer meldete sich erst bei tiefer Dunkelheit zurück; er war von Hunden in ein Maisfeld gejagt worden und hatte sich verlaufen.

Sieger ließ sich fahren

Das Rennen entwickelte sich zum totalen Chaos. Schließlich traf der Amerikaner Fred Lorz als Erster im Stadion ein und ließ sich mit Präsidenten-Tochter Alice Roosevelt als Sieger ablichten. Bis sein Chauffeur damit protzte, ihn über die Hälfte der Distanz kutschiert zu haben. So wurde sein Landsmann Thomas Hicks zum Gewinner ausgerufen. Dessen Trainer empfahl sich sogleich als Meistermacher, hatte er doch seinem Schützling alle paar Meilen ein Gemisch aus Strychnin und Eiweiß eingeflößt. Was ja nach keiner Regel verboten war.

Die meisten der Wettbewerbe blieben eine rein amerikanische Angelegenheit, deren olympische Wertigkeit mehr als zweifelhaft ist. So auch beim Turnen, wo sich fünf deutsch-amerikanische Vereine die ersten fünf Plätze teilten, angeführt von der stolzen "Turngemeinde Philadelphia". Wie war man eigentlich in St. Louis gelandet, einem sportlichen Niemandsland?

Ursprünglich hatte das IOC die Spiele an Chicago vergeben, doch dann glaubte man in den USA, dass die Weltausstellung noch gut einige Attraktionen vertragen könne. So war die olympische Bewegung beim Aufbruch nach Westen in der Sackgasse gelandet.

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