Reaktionen zum Nein zu Olympia "Eine Vision von dicken Kindern"

Hamburg · Die Kommentare aus dem Sport zur gescheiterten Hamburger Bewerbung – und was dahinter steckt.

 Robert Harting äußerte sich besonders kritisch zur Entscheidung der Hamburger.

Robert Harting äußerte sich besonders kritisch zur Entscheidung der Hamburger.

Foto: dpa, soe jhe

Die Kommentare aus dem Sport zur gescheiterten Hamburger Bewerbung — und was dahinter steckt.

Das Aus für die Hamburger Olympiabewerbung sitzt bei den Sportpolitikern tief. Umfragen hatten bis zuletzt einen Erfolg der Olympiabefürworter vorausgesagt. 51,6 Prozent der 651.589 Hamburger, die sich beteiligt hatten, waren gegen Sommerspiele 2024. Wir ordnen einige der Kommentare ein.

"Dafür macht man ja Volksabstimmungen: damit man herausfindet, was das Volk gerne möchte."

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Diese über eine Sprecherin übermittelte Aussage zeugt nicht davon, dass die Bundeskanzlerin sehr getroffen ist. Sie steht dem Fußball näher als dem olympischen Sport. Berlin gab keine Garantie für die zur Durchführung der Spiele notwendigen 6,2 Milliarden. Das dürfte ein Grund dafür gewesen sein, dass die Hamburger die Spiele abgelehnt haben. Zum Thema Volksabstimmung hält Peter Frese, Präsident des Judo-Bundes, entgegen: "Wenn wir eine Abstimmung machen würde, wie viele Leute für die Elbphilharmonie sind, würden nicht 48 Prozent erreicht."

"Auf absehbare Zeit ist das Thema Olympische Spiele in Deutschland erledigt."

Clemens Prokop, Deutscher Leichtathletikverband

Ähnliche Aussagen gab es nach dem Scheitern der Münchner Bewerbung um die Winterspiele 2022 - und dann kam ganz schnell der Sommer 2024 ins Spiel. Doch wer will nach zwei Referenden noch eine Bewerbung? Und eine Kandidatur ohne vorherige Volksabstimmung oder gar gegen den Willen der Bevölkerung würde den demokratischen Gepflogenheiten widersprechen.

"Das IOC respektiert selbstverständlich die knappe Entscheidung der Einwohner Hamburgs. Wir bedauern die Entscheidung."

Thomas Bach, IOC-Präsident

Das Internationale Olympische Komitee hat Interesse an möglichst vielen starken Bewerbern. Die Ablehnung einzelner Kandidaten durch die Bürger ist ein Schlag gegen Olympia als Ganzes. In der Bewerbungsrunde um die Winterspiele 2022 sprangen reihenweise hochkarätige Bewerber ab, Graubünden, Stockholm, Oslo und München zum Beispiel. Dem IOC drohte eine große Krise.

"Das Ergebnis heißt, dass ein demokratisch regiertes Land nicht zur Verfügung steht. Wir ziehen zwar über die Sotschis und Dohas her, sind aber nicht in der Lage, selbst Sportereignisse dieser Dimension auszurichten."

Andreas Michelmann, Deutscher Handball-Bund

2024 finden die Spiele in einem demokratisch regierten Land statt: Paris, Los Angeles, Rom und Budapest bleiben Kandidaten. Allerdings haben dort keine Bürgerbefragungen stattgefunden. Michelmann hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass Hamburg hätte zeigen können, wie ein Mega-Event im Unterschied zu den Winterspielen in Sotschi und der Fußball-WM 2022 in Katar ohne Gigantomanie stattfinden kann.

"Jetzt gilt es, ohne die Heimspiele erfolgreichen Sport in Deutschland zu entwickeln."

Alfons Hörmann, Deutscher Olympischer Sportbund

Seit den Spielen 1992 in Barcelona geht die Medaillenausbeute tendenziell zurück. Der DOSB hatte gehofft, dass die Leistungssportförderung des Bundes von 170 Millionen Euro im Jahr mit Blick auf Hamburg 2024 steigen würde. Traditionell investiert das Gastgeberland besonders viel in seine Athleten.

"Wie es im Sport so ist: Man kann nicht immer gewinnen, sondern fährt auch Niederlagen ein. Wichtig ist, hinterher wieder aufzustehen."

Michael Vesper, DOSB

Zum vierten Mal war Vesper bei einer gescheiterten Bewerbung in verantwortlicher Position: bei Düsseldorf/Rhein-Ruhr 2012 als Landesminister, bei den Münchner Winterbewerbungen und nun in Hamburg an der Spitze des DOSB. Er hat also Übung darin, nach Niederlagen wieder aufzustehen.

"Ich habe die Sorge, dass die Diskrepanz zwischen dem Profisport Fußball und den anderen Sportarten noch größer wird."

Walter Schneeloch, Präsident des Landessportbundes NRW

Die Sorge ist berechtigt. Der Fußball zieht mit Abstand die größte Aufmerksamkeit auf sich. Tendenz: steigend. Dass auch andere Disziplinen Zuschauerinteresse finden können, zeigt aber der Wintersport, der an jedem Wochenende stundenlange Sendestrecken füllt. Ein Erfolgsrezept: die Abstimmung der Wettkampfkalender.

"Es ist unerlässlich, dass sehr gründlich Ursachenforschung betrieben wird."

Reinhard Rauball, DFB-Interimspräsident

Der DFB muss nach der Niederlage der Olympier prüfen, ob er seine Bewerbung um die EM 2024 g aufrecht erhält. Die Türkei bewirbt sich auch, die Entscheidung fällt 2017. Der DFB hat mit seinem Skandal dazu beigetragen, dass sich die Stimmung in Hamburg gegen den großen Sport gewendet hat. Basketball-Präsident Ingo Weiss hat recht, wenn er sagt: "Wenn wir über die Fußball-Europameisterschaft 2024 abgestimmt hätten, hätten wir sicherlich ein positives Ergebnis bekommen. Deutschland ist eben leider keine Sport-Nation, sondern eine Fußball-Nation."

"Welche Vision von sportlicher Zukunft verfolgen die Menschen in dem Land, für das ich kämpfe überhaupt noch? Der Vision von McDonald's und unbeweglichen Kindern, von dicken Kindern? Wahrscheinlich."

Robert Harting, Diskus-Olympiasieger

Hartings Kommentar ist nichts hinzuzufügen.

(RP)
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