Wasserball brutal Ducken, treten, Nippel drehen

London · Unterwasserkameras zeigen es: Im Wasserball-Becken wird mit harten Bandagen gekämpft. Schläge, Tritte, kleine Gemeinheiten - es sieht ja (fast) niemand.

Olympia 2012: So ruppig geht's beim Wasserball zu
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Miho Boskovic sitzt in der Wasserball-Arena und kühlt seinen schmerzenden Ellbogen. Er ist 1,96 m groß, gerade hat er sich im Wasser mit ähnlich hünenhaften Griechen herumgeschlagen, es wurde wieder getreten und gekniffen. Ziemlich hart war das, sagt der Kroate, aber: "Es ist eben kein Ballett." Es ist genauer gesagt das Gegenteil: Wasserball ist die brutalste Sportart der Olympischen Spiele von London.

Schmerzhafte Griffe in die Genitalien, fiese Tritte, "Nippel drehen" sogar bei den Frauen - die kleinen und großen Gemeinheiten über und unter der Wasseroberfläche sind nicht neu. Manchmal arten sie aus.

Wie in Melbourne, am 6. Dezember 1956. Gezeichnet steigt Ervin Zador aus dem Becken, aus einer klaffenden Fleischwunde unter dem rechten Auge rinnt das Blut. "4000 Sterne" sieht der ungarische Wasserballstar, kurz zuvor hat ihm Walentin Prokorow den Unterarm mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen. Entnervt und frustriert, weil das Spiel verloren und die Chance auf Olympia-Gold für die UdSSR dahin ist. Im Wasser herrscht Krieg.

Auslöser der hässlichen Szenen ist nicht allein die enorme sportliche Bedeutung. Es sind die politischen Umstände, die die Atmosphäre zusätzlich anheizen. Kurz vor dem Turnier hatte die Sowjetarmee den Volksaufstand in Ungarn blutig niedergeschlagen, es gab Hunderte Tote. Denkbar schlechte Vorzeichen für ein olympisches Duell. Und es kam, wie es kommen musste: Eine wüste Schlacht, die bis heute als das brutalste Wasserballspiel der Geschichte gilt.

"Blutspiel von Melbourne"

Die Ungarn wollen, dass die Gegenspieler ausrasten. Von der ersten Sekunde an werden die Sowjets deshalb verbal attackiert, "Trash-Talk" würde man das heute nennen. Provokation ist Programm, der damals 21-jährige Zador und seine Mitspieler haben einen Plan. "Wenn sie kämpfen, spielen sie nicht gut. Wenn sie nicht gut spielen, schlagen wir sie. Wenn wir sie schlagen, werden wir Olympiasieger", sagt Zador. Es funktioniert - 30 Stunden nach dem 4:0 über die UdSSR holt Ungarn Gold.

In London geht es nicht ansatzweise so heftig zu wie beim "Blutspiel von Melbourne". Doch besonders beim Spiel ohne Ball, vor allem unter Wasser, gibt es immer wieder fiese Szenen - es sieht ja (fast) niemand.

Das beliebte Zerren an der Badehose, respektive dem Badeanzug, gehört noch zu den harmloseren Vergehen. Denn es wird auch gehalten, getreten und geschlagen. Auch die Frauen haben dabei viel Fantasie: "Nippel drehen" nennt sich die wohl fieseste Variante. Ein Schmerz wie ein Elektroschock.

In London ist man nicht zimperlich, über und unter Wasser. So zogen etwa die Australierinnen Italien mit ihrer harten Spielweise den Zahn. Elisa Casanova, eine der berühmtesten Spielerinnen, war nach der Niederlage sauer. "Das hat nichts mit Wasserball zu tun, das ist Ringen", sagte die Italienerin.

Der Trainer der Australierinnen kann die Vorwürfe nicht verstehen. "Beim Wasserball gibt es Regeln, an die man sich halten muss. Aber wenn die Schiedsrichter diese Regeln nicht anwenden, nehmen die Spieler die Sache eben selbst in die Hand", sagte Greg McFadden. Die Sache - oder andere Dinge. Dann tut es weh.

(sid)
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