Bronze knapp verpasst Mühlleitner freut sich über Schwimm-„Holzmedaille“ – Weltrekord für Australien

Tokio · Das Rennen von Henning Mühlleitner mitten in der deutschen Nacht hält auch Paul Biedermann in Atem. Fast wird es schon am ersten Finaltag etwas mit der ersten Goldmedaille der deutschen Beckenschwimmer seit 13 Jahren. Die Entscheidungen werden auch von Außenseitern geprägt.

 Henning Mühlleitner hat knapp eine Medaille verpasst.

Henning Mühlleitner hat knapp eine Medaille verpasst.

Foto: dpa/David J. Phillip

Henning Mühlleitner war nach seinem nur knapp verpassten Medaillen-Coup „maximal zufrieden“, die Japanerin Yui Ohashi wischte sich nach Gold immer wieder Freudentränen aus dem Gesicht: Mit Gänsehaut-Momenten, einem Weltrekord sowie Mühlleitners viertem Platz über 400 Meter Freistil hat der erste Finaltag der Schwimmer in Tokio spektakuläre Olympia-Action geboten und dem deutschen Team Hoffnung auf mehr gemacht. Schon Mühlleitners Final-Qualifikation als Vorlaufbester war eine große Überraschung.

„Jetzt ist es natürlich die Blechmedaille oder Holzmedaille oder wie auch immer man es nennen mag, aber das stört mich relativ wenig“, sagte Mühlleitner mit einem Lächeln. Die Freude über die starke Leistung bei seinen ersten Olympischen Spielen war ihm in den Katakomben des Tokyo Aquatic Centres am Sonntag deutlich anzusehen.

Zwar wurde es nichts mit der ersehnten ersten Medaille der deutschen Beckenschwimmer, seit sich Britta Steffen 2008 zur Doppel-Olympiasiegerin gekrönt hatte. Doch Mühlleitners Performance hat gezeigt: Auch als Außenseiter sind tolle Erlebnisse und Überraschungen drin. Er habe die Mannschaft „gut beflügelt“, sagte Mühlleitner und ergänzte mit Blick auf die kommenden Tage: „Ich hoffe, wir heizen nochmal richtig an.“

Das Rennen des 25-Jährigen zur deutschen Nachtzeit hielt auch Weltrekordler Paul Biedermann wach. „Starkes Rennen von Henning Mühlleitner, der genau sein Rennen durchgezogen hat“, sagte er. „Sehr schade um diesen knappen vierten Platz.“

Dass Mühlleitner in Tokio starten konnte, verdankt er auch dem Verzicht von Zweifach-Weltmeister Florian Wellbrock. Der aussichtsreichste deutsche Medaillenkandidat konzentriert sich auf die ganz langen Distanzen und hatte auf seinen Startplatz zugunsten seines Kumpels Mühlleitner verzichtet.

Vor seinem großen Finale holte sich der Neckarsulmer nochmal Rat bei Wellbrock: „Wie bleibst du da so cool?“, war die zentrale Frage und offenbar half Wellbrocks Antwort. Ohne zu große Nervosität lieferte Mühlleitner in 3:44,07 Minuten wie schon am Vortag eine gute Zeit ab.

Auf Anfeuerung aus der Heimat verzichtete der in den ersten Jahren seines Lebens in Ghana aufgewachsene Schwimmer bewusst. Um drei Uhr am Nachmittag des Vortags habe er sein Handy ausgeschaltet, erzählte er. „Meine Eltern wissen, dass ich das Handy aus mache, meine Freundin weiß, dass ich mich nicht melde“, sagte er. „Das ist auch in Ordnung so.“

Den Sieg im Finale sicherte sich überraschend der erst 18 Jahre alte Tunesier Ahmed Hafnaoui. Silber ging an den Australier Jack McLoughlin, Bronze holte Kieran Smith aus den USA. Über 400 Meter Lagen hatte sich zuvor der US-Amerikaner Chase Kalisz den ersten Olympiasieg der Schwimmer in Tokio geholt. Der Deutsche Jacob Heidtmann hatte als Vorlaufzwölfter das Finale verpasst. Im Halbfinale über 100 Meter Brust schieden Lucas Matzerath (9.) und Fabian Schwingenschögl (10.) aus.

Kurz zuvor hatte die Japanerin Ohashi für ganz besondere Olympia-Momente gesorgt. Die 25 Jahre alte Lagenschwimmerin siegte über 400 Meter und wurde dafür von ihrem Gastgeber-Team auf der Tribüne, Volunteers und japanischen Journalisten in der Halle ausgelassen gefeiert. Ohashi lief eine Ehrenrunde, winkte ergriffen. Bei der Siegerehrung weinte sie hemmungslos. Ungarns Schwimmstar und Weltrekordlerin Katinka Hosszu wurde überraschend nur Fünfte.

Über 4 x 100 Meter Freistil stellte die australische Frauen-Staffel den ersten Schwimm-Weltrekord dieser Sommerspiele auf. In 3:29,69 Minuten gewannen die Australierinnen Gold vor Kanada und den USA.

(dör/dpa)
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