Toba turnt mit Verletzung weiter Leiden für Deutschland

Rio De Janeiro · Turner Andreas Toba hat sich während einer Übung das Knie schwer verletzt. Er gibt aber nicht auf, sondern macht weiter. Und bringt so das deutsche Team ins Finale. Ist er damit Vorbild oder nur ein Dummkopf?

Olympia 2016: Verletzungs-Drama um Turner Andreas Toba
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Verletzungs-Drama um Turner Toba

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Foto: ap

Es gruselt einen, wenn man sich diese Szenen ansieht. Andreas Toba läuft an und macht diese schwindelerregenden Überschläge und Drehungen. Dann kommt er wieder auf dem Boden auf, sein rechtes Knie knickt nach der Landung weg. Er bricht auf der Matte zusammen, krümmt sich vor Schmerzen. Betreuer eilen herbei, um ihn nach draußen zu bringen. Über das Gesicht des 25-Jährigen kullern die Tränen. Die niederschmetternde Diagnose wenig später: eine komplexe Knieverletzung unter anderem mit einem Riss des vorderen Kreuzbandes und einer Verletzung des Innenmeniskus.

Derartige Verletzungen gibt es im Sport immer wieder. Die Ausfallzeit ist je nach Vorgeschichte mindestens drei Monate. Doch Toba kommt zu einer anderen Einschätzung. Er will weitermachen. Und so humpelt er wenig später zur nächsten Übung in der Vorrunde der Kunstturner. Ohne seinen Einsatz würde es die deutsche Equipe nicht ins Finale des Mannschaftswettbewerbs schaffen. Er schnauft schwer, als er sich vor dem Gerät aufbaute. "Ich hatte Angst, dass ich höllische Schmerzen haben würde", erzählt Toba später. "So war es dann auch."

Das hielt ihn aber nicht davon ab, die beste Leistung aller seiner Teamkollegen um Fabian Hambüchen am sogenannten Pauschenpferd abzuliefern. Dank seines Einsatzes haben sie es überhaupt ins Finale geschafft. Gerade so als Achte des Teilnehmerfeldes.

Ist er nun ein Held, dass er sich derart für seine Mannschaftskollegen aufgeopfert hat, oder einfach nur ein Dummkopf, der Raubbau an seinem Körper betrieben hat? Eine befriedigende Antwort darauf gibt es nicht - denn es kommt ganz auf den Standpunkt an. In einem dieser Filme aus der Hollywoodtraumfabrik ist es die Verpflichtung eines jeden Helden, Übermenschliches zu leisten. Er hat immer aufzustehen, egal, wie groß die Schmerzen auch sind, egal, wie aussichtslos sein Kampf auch ist.

Die Turn-Familie

Nun ist Toba allerdings Hauptdarsteller in einer durch und durch realen Aufführung: dem Leben. Er hat sich für den Gang zurück ans Gerät entschieden, weil er sich selbst dem Kollektiv untergeordnet hat. Zu diesem Schritt hat er sich mindestens mit der Duldung der medizinischen Abteilung entschieden. Man hielt es offenbar für vertretbar, weil er das schwer verletzte Knie auf dem Pauschenpferd nur im begrenzten Maße belasten musste. Bei der Landung gilt es sauber in den Stand zu kommen. Toba gelingt das bei seinem Versuch für einen kurzen Moment, ehe die Schmerzen ihm wieder die Tränen ins Gesicht treiben.

Sein Einsatz zeigt, was für ein geschlossener Teamgeist unter den Turnern vorherrscht. Die Rede ist oft von einer Familie. Das ist nicht nur Gerede. "Andi hat eindrucksvoll bewiesen, dass er ein großes Kämpferherz hat und kein Weichei ist", sagt Wolfgang Willam, Sportdirektor des Deutschen Turner-Bundes (DTB).

Toba hat sich auch hernach nicht von seinem Körper geschlagen geben wollen. Er hat sich trotzig hingestellt und davon geredet, dass er natürlich auch im Mannschaftsfinale heute wieder an den Start gehen wollte. Das kann ihm gewiss keiner übel nehmen, Toba hätte vermutlich in diesem Moment auch zugesichert, sich in ein Raumschiff zu setzen und einmal zum Mond und zurückzufliegen, wenn es dem Team helfen würde.

Dazu wird es allerdings nicht mehr kommen. Nach weiteren Untersuchungen sind die Olympischen Spiele für Toba beendet. "Er wird definitiv nicht turnen können. Das ist medizinisch nicht zu verantworten", sagt Delegationsleiter Sven Karg.

(gic)
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