Kohlschreibers Olympia-Aus Kuriose Absage per Wackel-Video

London · Die Absage von Philipp Kohlschreiber war für Tommy Haas ein Schlag ins Gesicht. Olympia scheint einigen deutschen Herren nicht viel wert zu sein.

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Foto: AP/Jason DeCrow

Als Philipp Kohlschreiber mit einem verwackelten Handy-Video sein ganz persönliches Olympia-Aus verkündete, trudelte Tommy Haas gerade in Washington ein. Wie gerne der erfolgreichste deutsche Tennisspieler der vergangenen zehn Jahre beim olympischen Turnier in Wimbledon dabei gewesen wäre, ist kein Geheimnis. Es war sein größter Traum, eine einmalige Gelegenheit. Und nun muss Haas, der vom DOSB nicht nominiert worden war, aus der Ferne mitansehen, dass den Teamkollegen das wichtigste Sportfest der Welt im Allerheiligsten des Tennis anscheinend nicht ganz so viel wert ist.

"Für Tommy gab es kein größeres Ziel als die Olympischen Spiele. Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer haben ja offenbar eine andere Einstellung zu den Spielen. Die kann Tommy aber nicht teilen", sagte Haas-Manager Edwin Weindorfer dem SID.

Diagnose wirft Fragen auf

Die offizielle Stellungnahme des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sprach von einer Adduktorenverletzung bei Philipp Kohlschreiber. Zugezogen beim ATP-Turnier in Kitzbühel. Die Art seiner Absage wirft zumindest Fragen auf. In einem Handy-Video von denkbar schlechter Qualität erläutert Kohlschreiber, das Basecap tief ins Gesicht gezogen, seine Diagnose. "Ich habe die ganze Woche schon mit einem verhärteten Fuß gekämpft. Im Finale ist es dann schlimmer geworden", sagte er, und sprach wenig später noch von "leichten Einrissen im Oberschenkel".

Delegationsleiter Patrik Kühnen lässt nichts auf seine Nummer eins kommen. Das Video habe er sich gar nicht angeschaut, er vertraue Kohlschreiber, sagte Kühnen dem SID: "Ich habe von ihm ein Attest geschickt bekommen. Für mich ist absolut nichts fragwürdig." Auch DTB-Sportdirektor Carl-Uwe Steeb sagte auf Anfrage: "Wenn er nicht vorgehabt hätte, an den Spielen teilzunehmen, hätte er sich doch gar nicht auslosen lassen."

Kohlschreiber gab in seinem Internet-Auftritt selbst zu, dass ihm der Arzt freigestellt habe, in London aufzuschlagen, "doch auf Anraten des Trainers und des ATP-Physiotherapeuten haben wir beschlossen, dass es keinen Sinn macht". Er wäre allerdings nicht der erste Spieler gewesen, der angeschlagen in Wimbledon ankommt, um sich seinen Traum von den Olympischen Spielen zu erfüllen. Doppelspezialist Christopher Kas aus Trostberg schlug sich noch in London verbissen mit einem Muskelbündelriss in der Gesäßmuskulatur herum, um einfach nur dabei sein zu dürfen.

Auch Kohlschreiber hatte im Vorfeld von Olympia geschwärmt, wollte im olympischen Dorf wohnen und hatte sich sogar Chancen auf eine Medaille ausgerechnet. Umso unverständlicher ist die Art seiner Vorbereitung mit dem Sandplatzturnier in Kitzbühel, dessen Finale zum Auftakt des olympischen Tennisturniers angesetzt war.

Vor einigen Wochen hatte bereits der zweite deutsche Davis-Cup-Spieler für Kopfschütteln gesorgt. Florian Mayer hatte seinen Olympiastart gleich von vornherein abgesagt und seinen Verzicht mit seinem Alter (fast 30) und seiner Turnierplanung (Masters in den USA) begründet. "Man sollte mir anrechnen, dass ich wenigstens ehrlich bin und nicht zwei Tage vorher verletzt aufgebe", sagte Mayer und warb um Verständnis für seine "persönliche Entscheidung".

Tommy Haas kann bei solchen Aussagen nur den Kopf schütteln. Olympia in Wimbledon wäre für den 34-Jährigen unbezahlbar gewesen. "Er ist extrem enttäuscht über die ganze Situation", sagte Manager Weindorfer: "Der DOSB hat sich mit der Nicht-Nominierung selbst disqualifiziert." Ob Haas nun an der Seite von Kohlschreiber und Mayer in der Davis-Cup-Relegation im September in Hamburg gegen Australien aufschlagen wird, scheint mehr als fraglich.

(sid)
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