Olympia-Kolumne Das Leiden der Athleten-Mutter
London · Britta Mager und ihr Mann Stephan erwiesen der Olympiasiegerin Chinesin Yi Siling den gebührenden Respekt. Die beiden Solinger verfolgten die erste Siegerehrung der Londoner Spiele, ehe sie von der Tribüne hinunterkamen und sich mit ihrer Tochter Jessica trafen.
Für die Olympia-Debütantin waren der Wettkampf da lange vorbei. Die Schützin, die für Post SV Düsseldorf startet und zum erweiterten Kreis der Medaillenkandidatinnen gezählt worden war, hatte als 20. das Finale der letzten acht verpasst. "Sie hat tapfer gekämpft", sagte die Mutter über das Ergebnis, das ihre Tochter enttäuscht hatte. Der Stolz der Mama auf ihre Olympia-Teilnehmerin sprach aus jedem Wort – und aus ihren müden Augen.
Von Enttäuschung war bei ihr keine Spur zu sehen und keine Silbe zu hören. So sind Mütter, ihre Goldkinder brauchen keine Medaillen. Der Samstag war schon angebrochen, als das Ehepaar Mager sein Hotel im Londoner Osten erreicht hatte. Und am Morgen um halb sechs mussten die beiden schon wieder aufstehen, um mit Bahn und Bus zum Schießstand in den Royal Artillery Barracks zu fahren. "Ohne Frühstück direkt in die Halle", bemerkte Britta Mager.
Doch erst als zur Mittagsstunde Wettkampf und Siegerehrung vorbei waren, merkte sie, wie hungrig und müde sie war. "Sie ist eine lebende Leiche", sagte ihr Mann. Die Anspannung auf der Tribüne hatte die 49-Jährige ziemlich mitgenommen. "Jessica hat mich in ihrer Sportlerkarriere schon so viele Nerven gekostet", sagte die Mutter. Aber Olympia war dann doch noch eine andere Kategorie. "Man versucht, sich selbst zu beruhigen."
Aber so richtig wollte das nicht gelingen. Dabei hat Britta Mager selbst "gar keine Ahnung von dem Metier", wie sie zugibt. Beim Schützenverein Trompete Leichlingen, dem ihr Mann seit 29 Jahren angehört, nahm sie mal am Pokalschießen mit aufgelegtem Gewehr teil, über mehr Praxiserfahrung verfügt sie aber nicht. Sie tobt sich lieber auf dem Squash-Court aus. Dennoch fühlt sie sich in der Schützenfamilie wohl. Die Deutschen Meisterschaften in München, das sind stets fünf Tage Urlaub für sie. "Da herrscht so eine schöne Atmosphäre, ganz ruhig, so freundlich und familiär." Da ihre Schwiegermutter daheim gepflegt werden muss, wechselt sie sich jährlich mit ihrem Mann ab: einmal darf er mit nach München, das andere Mal sie.
Die Reise nach London war nicht ganz so einfach wie der Trip nach Bayern. Spezielle Angebote seitens der Verbände gibt es für Athleten-Eltern nicht. Die ersten Offerten, die Britta Mager einholte, umfassten Reisepakete, die 2500 Euro und mehr pro Paar kosteten. Zu teuer! Doch Bekannte ergatterten über das Internet im Januar eine Eintrittskarte für die Magers. Und im April bekamen sie von einem Schützenbruder eine zweite angeboten. 65 Euro bezahlten sie pro Ticket, hinzu kamen die Kosten für den Flug und je zwei Nächte im Hotel. "Jetzt haben wir schon 700 Euro ausgegeben", sagte Britta Mager am Samstagmittag, "und wir haben noch nicht gegessen und noch kein T-Shirt gekauft."