Nachruf auf Ken Block Halbgott an der Handbremse
Für viele junge Menschen ist der bekannteste dieser Tage gestorbene Mensch nicht der Papst oder Pelé, sondern Ken Block. Der vielleicht gefühlvollste Motorsportler aller Zeiten, dessen Erfolg sich in Milliarden Youtube-Klicks maß, war ein Superstar in seiner selbst geschaffenen Nische. Ein Nachruf.
„Wer? Kannte ich nicht!“ Diesen Kommentar liest man im Netz unter vielen Todesnachrichten, und meist wird er zu Recht kritisiert: als pietätlos, überflüssig, ignorant. Selten aber, vielleicht noch nie, ist ein Prominenter verstorben, dessen Namen 95 oder gar 99 Prozent der Weltbevölkerung tatsächlich noch nie gehört haben, der aber in seiner Nische ein Revolutionär, eine Legende, eine Ikone war: Wie am Dienstag bekannt wurde, ist Ken Block am Montagmittag mit seinem Schneemobil tödlich verunglückt. Er wurde nur 55 Jahre alt.
Natürlich war es schon immer so, dass jede Generation ihre eigenen Stars hatte, in der Musik und eben auch im Sport. Aber da fängt es bei Ken Block schon an: In die Schublade „Sportler“ passt er nicht wirklich. Dabei war er, wenn man so will, einer der besten Motorsportler aller Zeiten. Und das als Spätstarter. Erst 2004 hatte er die Skateschuh-Marke DC Shoes, die er 1984 mitgegründet hatte, verkauft, um sich voll dem Rennsport zu widmen.
In der Rallye-Weltmeisterschaft WRC hat Ken Block indes nie etwas gewonnen. Keinen Titel, kein einziges Rennen. Nicht einmal fuhr er aufs Podium, nie gewann er auch nur einen einzigen Streckenabschnitt. Besser lief es in der kleineren Disziplin Rallycross, am Besten beim Extremsport-Turnier „X-Games“, wo er mehrfach Medaillen errang. Schließlich schuf er seine eigene Nische: In den zehn Filmen der „Gymkhana“-Serie zirkelte er seine Autos atemberaubend präzise über, unter oder um immer spektakulärere Hindernisse herum. Mit Vorliebe einen kleinen, mehr als 600 PS starken Ford Fiesta. In London und L.A., China und Dubai. Bei höchstem Tempo und oft quer zur Fahrtrichtung war das teils nicht nur Zentimeter-, sondern sogar Millimeter-Arbeit. Und hatte seine ganz eigene Ästhetik.
Mehr als 200 Millionen Klicks sammelte er damit allein auf seinem persönlichen Youtube-Kanal, über sein Motorsport-Team „Hoonigans“ kamen noch einmal 1,1 Milliarden dazu – plus wer weiß wie viele auf anderen Kanälen.
In diesem Graubereich zwischen Sport und Stuntman-Arbeit, Filmemacherei und Marketing war Block erst Pionier und sehr bald König. Kaiser. Ein Mann als Marke. Ein Halbgott an der Handbremse. Ein „Content Creator“, dessen Inhalte spektakulär, originell und einzigartig waren. Ein „Influencer“, ja, der unter anderem auch Fanartikel vertrieb. Aber einer mit unzweifelhaftem Talent, wie sich am ehesten darin zeigt, dass man als Laie und vielleicht mehr noch als Kenner viele seiner Szenen instinktiv für physikalisch unmöglich hält.
Ken Block war ein Großmeister seiner Kunst, so benzinverschlingend und reifenverschleißend diese auch war (wobei: zuletzt fuhr er elektrisch).
„Er hatte die legendäre Fähigkeit, eine Vision in Realität zu verwandeln. Er hat eine ganze Industrie erschaffen“, sagte sein Teammitglied Steve Arpin gegenüber ESPN. „Aber seine besten Seiten kamen zum Vorschein, wenn du das Glück hattest, ihn zu kennen. Er hat seine Freunde behandelt wie Goldstücke und jedem Chancen verschafft, der sich reinhängte. Er stand für alles, wovon diese Welt mehr braucht – und hat zufällig nebenbei jede Menge coolen Kram gemacht.“
Am Montag entglitt Ken Block auf einem steilen Hügel nahe seiner Ranch in Park City im US-Bundesstaat Utah die Kontrolle über sein Schneemobil, das auf ihn stürzte und ihn auf der Stelle erschlug. Der Präsident des Motorsport-Weltverbands FIA, Mohammed Ben Sulayem, nannte Block in seiner Beileidsbekundung „meinen Freund“ sowie „eine Inspiration für uns alle und einen echten Gentleman unseres Sports“.
Ken Block hinterlässt seine Frau Lucy und drei Töchter, ungezählte Fans aus aller Welt – und viele, denen er zeitlebens unbekannt war. Die aber nach einem ersten „Wer? Kannte ich nicht!“ womöglich auf seine Videos stoßen und bestenfalls anerkennen, was er erreicht hat. Sportlich, künstlerisch, wirtschaftlich. Wie auch immer.
Bei aller Tragik: Die Floskel „Er starb, als er tat, was er liebte“ trifft in diesem Fall wohl zu. Zum Leben von Ken Block gehörte neben seiner Leidenschaft für alles, was einen Motor hat, auch die Risikobereitschaft. Das letzte vor seinem Tod hochgeladene Video trägt den Titel „GO FAST RISK EVERY THANG“ – Fahr schnell und riskiere alles.