DTM-Boss Gerhard Berger im Interview „Die DTM stand nie auf der Kippe“

Düsseldorf · Das letzte Rennwochenende der DTM-Saison steht an. Im Interview spricht Chef Gerhard Berger über den Meisterschaftskampf, die Zukunft der Rennserie mit dem Einstieg von Aston Martin und Mick Schumacher.

Das letzte Rennwochenende steht vor der Tür, machen Sie danach erst mal Urlaub?

Gerhard Berger (lacht): „Nein. Wir werden uns direkt nach dem Wochenende hinsetzen, diese Saison abschließen und die neue beginnen.“

Was erwarten Sie von dem Wochenende am Hockenheimring?

Berger: „Die Vorzeichen sind perfekt. Hockenheim ist fast ausverkauft, die Fahrer-Meisterschaft ist noch offen, drei Fahrer können Meister werden, Piloten von zwei Marken kämpfen um die Meisterschaft, zudem ist gutes Wetter vorhergesagt. Das wird ein tolles Event.“

Wem trauen Sie von den drei Titelkandidaten Paul Di Resta und Gary Paffett (beide Mercedes) sowie René Rast (Audi) am meisten zu?

Berger: „Ich sehe Mercedes vorn im Kampf um die Meisterschaft, weil der Punktevorsprung schon beachtlich ist. Aber es ist kein Raum für Fehler, egal ob strategische, technische oder Fahrfehler. Mercedes muss sich auf zwei Fahrer konzentrieren, Audi nur auf einen Fahrer. Das könnte ein kleiner Vorteil für Audi sein. Andererseits hat Mercedes zwei Speerspitzen, daher glaube ich, dass Mercedes, auch wegen des Punktepolsters, im Vorteil ist.“

Wie bewerten Sie die aktuelle DTM-Saison?

Berger: „Die Rennen waren größtenteils wirklich super. Man kann natürlich nicht erwarten, dass von 20 Rennen 20 perfekt sind, aber der Großteil der Rennen ist spannend. Wir haben wieder guten Motorsport geliefert und das Produkt hat sich im Vergleich zum letzten Jahr noch mal verbessert. Viele Entscheidungen haben sich als richtig bestätigt, jetzt müssen wir im Feintuning daran weiterarbeiten. Alles in allem sind wir gut unterwegs.“

Zwei Mercedes-Piloten sind ganz vorne – wie sehr hat Sie der Mercedes-Ausstieg getroffen?

Berger: „Mercedes war über 30 Jahre das Rückgrat der DTM und hat die Serie zu Beginn sehr gestützt und gefördert. Von daher war es schon sehr überraschend, dass man sich von dieser Plattform trennt. Aber Interessen verändern sich, wir müssen es so nehmen wie es ist und in Zukunft ohne Mercedes fahren.“

Es hieß nach der Bekanntgabe, dass die Zukunft der DTM auf der Kippe stände.

Berger: „Ich finde nicht, dass die DTM auf der Kippe stand. Viele Stimmen haben zu Spekulationen und zu unguter Stimmung beigetragen, aber eigentlich stand sie nicht auf der Kippe. Eine Meisterschaft, die bei jedem Rennwochenende über eine Million Zuschauer im Fernsehen hat und bei den Rennen zwischen 30.000 und 100.000 Zuschauer an der Strecke hat, die hat einfach eine ganz starke Fanbasis und eine starke Grundstruktur und die wird nicht so leicht aus dem Gleichgewicht gebracht, auch wenn der Mercedes-Ausstieg negativ gewirkt hat. “

Jetzt ist ein Nachfolger für Mercedes gefunden – Aston Martin.

Berger: „Der Einstieg von Aston Martin mit dem Team R-Motorsport ist ein Meilenstein für die DTM. Ich freue mich, dass damit der nächste Schritt der Neuausrichtung der DTM gelungen ist. Eine Luxus-Sportwagen-Marke wie Aston Martin passt optimal in die DTM.“

Wie wollen Sie die DTM noch attraktiver für die Fans machen?

Berger: „Grundsätzlich werden wir weiter auf die DNA der DTM aufbauen, das heißt den Fan nahe ans Renngeschehen, nahe zu den Fahrern und nahe zur Technik lassen. Das praktizieren wir bereits, aber wir können die Fan Experience noch optimieren. Die ganz große Stärke der DTM ist, dass man bis zum Schluss nie weiß, wer das Rennen gewinnt. Die Zeitunterschiede sind so gering, dass jeder kleinste Fehler, sei es bei der Abstimmung oder auf der Strecke, eine gute Startposition oder gar den Sieg kosten kann. Das macht es unberechenbar und genau das ist wichtig für den Sport.“

Wie hat sich der Motorsport seit Ihrer aktiven Zeit verändert?

Berger: „Die Auslaufzonen haben sich verzehnfacht – Gott sei Dank. Die Betonmauern und Bäume hat man entweder eliminiert oder woanders hingestellt. Das Sicherheitsbewusstsein ist also erheblich größer geworden. Auch die aufwendige Datenauswertung und die Elektronik gab es zu meiner Zeit nicht in dem Ausmaß. Aber am Ende geht es darum, ein technisches Gerät am Limit zu bewegen und da gab es immer Leute, die es etwas besser konnten als andere. Das macht den Motorsport aus.“

Was trauen Sie Mick Schumacher in der Zukunft zu?

Berger: „Mick Schumacher macht einen sehr guten Job in der zweiten Saisonhälfte der Formel 3. Ich traue ihm zu, dass er am Wochenende in Hockenheim Meister wird und dann den Schritt in Richtung Formel 2 machen wird. Wenn er die Konstanz behält, die er im letzten halben Jahr gezeigt hat, dann sehe ich seine Zukunft in der Formel 1.“

Stichwort Formel 1. Wie bewerten Sie da die aktuelle Lage?

Berger: „Mercedes und Lewis Hamilton haben das aktuell im Griff und werden die Meisterschaft wohl sicher nach Hause fahren.“

Was halten Sie von der Formel E?

Berger: „Als Hardcore-Rennsport sehe ich die Formel E nicht, aber ich sehe sie als eine notwendige Plattform für die Automobilindustrie mit der Möglichkeit, inmitten von Metropolen aufzutreten und dort ein interessantes Tagesevent zu gestalten.“

Jetzt wurde beschlossen, dass es nächstes Jahr eine Formel W für Frauen geben soll. Wie stehen Sie dazu?

 DTM-Boss Gerhard Berger

DTM-Boss Gerhard Berger

Foto: dpa/Uwe Anspach

Berger: „Es wurde höchste Zeit! Endlich ist da mal jemand, der das professionell in die Hand nimmt, auch mit dem nötigen Budget. So kann man den Frauen wirklich die Möglichkeit geben, sich auszubilden und weiterzuentwickeln um irgendwann den Männern Paroli zu bieten. Dass diese neue Serie dann noch exklusiv bei uns in der DTM stattfindet, freut mich umso mehr. Als internationale Serie mit professionellen Veranstaltungen bieten wir die ideale Plattform.“

(mwi)
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