Mönchengladbach Mönchengladbachs lange Nacht

Mönchengladbach · Die Borussia feierte den Bundesliga-Klassenerhalt im Bochumer Stadion, nach der Rückkehr im Borussia-Park mit 6000 Anhängern und in den Kneipen der Altstadt. Gestern war dann so mancher nicht mehr ganz so fit. Für die meisten ging es in Urlaub, Torschütze Reus fährt zur Nationalelf.

Der "Unabsteigbare" wollte nichts sagen. Nicht, weil er sich ein Schweigegelübde auferlegt hatte, sondern weil ihm seine Stimme während der ausgedehnten Feierlichkeiten in der Nacht nach dem Klassenerhalt bahanden gekommen war. Mike Hanke bat um Verständnis, piepste ein "Tschüss" heraus und brauste vom Hof hinein in den Urlaub. Mit Shorts, Muskelshirts und einem lustigen Käppi schien er bestens vorbereitet für die freie Zeit.

Für Hanke war das Erlebnis im Bochumer Stadion, in dem ein 1:1 Borussia Mönchengladbach ein weiteres Jahr in der Bundesliga brachte, eines mit Wiedererkennungswert. "In Wolfsburg haben wir zweimal den Klassenerhalt geschafft, in Hannover einmal", berichtete Hanke gleich nach dem Spiel, als er noch mit vollem Stimmvolumen ausgestattet war.

Auch Hankes Kollegen wirkten durchaus nicht fit am Morgen danach. Marco Reus hatte ziemlich kleine Augen, und auch seine Stimmbänder waren etwas angeschlagen. "Die Party war ausgelassen", erklärte er. Die Feierlichkeiten bestanden aus vier Teilen: Zunächst auf dem Rasen und in den Kabinen des Bochumer Stadions, dann der Busfahrt zum Borussia-Park, dort in einer Party mit den 6000 noch bis um zwei Uhr versammelten Fans und schließlich aus einem Kneipenbummel durch die Gladbacher Altstadt. "Wir wollen mit unseren Fans feiern. Sie waren immer da, wenn wir sie brauchten", sagte Verteidiger Dante.

Dass er ein rot-weiß geringeltes Poloshirt trug, regte die Frage an, ob er schon in den Farben seines möglichen neuen Arbeitgebers (im Gespräch ist unter anderem der FC Bayern München) unterwegs sei. Dante strich über seinen neuerdings kahlen Schädel – die Wuschelmatte hatte ihm am Abend zuvor die Kollegen in einer Gemeinschaftsaktion abrasiert – und lächelte sein gewinnendes Dante-Lächeln. "Ich will ganz oben spielen, das ist mein Anspruch. Wir haben gesagt, wir werden uns nach der Saison unterhalten. Natürlich ist es mein Ziel, mal bei einer großen Mannschaft in Deutschland zu spielen, Jetzt fliege ich aber erstmal nach Brasilien, dann werden wir uns alle Gedanken machen", sagte er. Das klang weniger nach einem klaren Bekenntnis zu Borussia, auch wenn Dante versicherte, er werde "als erstes mit dem Verein reden".

Zehn Monate, schätzt Dante, werde es dauern, bis die Matte wieder da sei. Ob er dann noch ein Mönchengladbacher ist, muss sich zeigen. Am Abend der Rettungsfeiern interessierte sich aber niemand für die Zukunft. Er allein um die Vollendung einer erstaunlichen Serie, die über die Relegation zum Klassenerhalt geführt hatte. Und das wurde ausgiebig gefeiert. In Bochum warfen die Borussen Trainer Lucien Favre in die Luft, daheim in Gladbach bekam der Schweizer eine Bierdusche. Dabei hat Favre eine Abkühlung eigentlich nicht nötig, denn er ist während seiner Mission immer cool geblieben. "Es ist möglich", hatte Favre immer betont. Und er hat es möglich gemacht. "Danke, Lucien Favre", riefen daher die Fans, als er gegen 1.06 Uhr am früheren Donnerstagmorgen aus dem grauen Teambus kletterte und im eigenen Stadion freudig empfangen wurde. Die Hymne "Die Elf vom Niederrhein" dröhnte durch die Nacht, und später machte Dante auf dem Rasen auch noch den Taucher. "Wir sind alle zusammengerückt, die Fans, das Team, der ganze Verein. Das ist ganz wichtig", sagte Martin Stranzl.

Reus nutzte den gestrigen Tag zur Erholung. Heute macht sich der Torschütze zum alles entscheidenden Ausgleich auf den Weg zum Nationalteam. Ob sein angeschlagener Oberschenkel ein Mitwirken in den Spielen des DFB-Team zulässt, ist offen. "Ich muss sehen, was der Doktor sagt", erklärte Reus.

Die medizinische Abteilung der Gladbacher hatte ihn rechtzeitig für das zweite Relegationsspiel fit gemacht. So schnell vergessen wird das niemand. Eine Relegation, sagte der erfahrene Stranzl, sei eine Erfahrung der speziellen Art. Reus weiß das jetzt auch. Beim Nationalteam kann er davon berichten.

(RP)
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