„Der DFB hat ausreichende Mittel“ Intensivmediziner regen Fußball-Spiele mit Fans zu Studienzwecken an

Berlin · Führende Intensivmediziner wollen in Fußball-Stadien unter Studienbedingungen wieder Fans zulassen und daraus Erkenntnisse über die Corona-Verbreitung bei Großveranstaltungen ziehen.

 Das Olympiastadion Berlin im November 2020 vor Beginn der Partie Hertha BSC gegen VfL Wolfsburg.

Das Olympiastadion Berlin im November 2020 vor Beginn der Partie Hertha BSC gegen VfL Wolfsburg.

Foto: dpa/Soeren Stache

Seit Beginn der Pandemie diskutieren Politik, Sportfunktionäre und Fußballfans besonders hitzig über Beschränkungen bei Fußballspielen. Derzeit finden alle Spiele der Bundesliga ohne Zuschauer in den Stadien statt. Führende Intensivmediziner schlagen nun vor, unter sehr kontrollierten Studienbedingungen mit genauer Überprüfung der Zuschauer und einem strengen Hygienekonzept maximal die Hälfte der Sitzplätze mit Fans zu besetzen.

Das Ziel: Fußballbegeisterte könnten wieder in den Genuss eines Stadionbesuchs kommen und Wissenschaftler könnten Erkenntnisse gewinnen, welche Hygienekonzepte funktionieren, um Veranstaltungen auch in Pandemiezeiten zu ermöglichen. „Obwohl wir seit mehr als einem Jahr mit der Corona-Krise zu kämpfen haben, gibt es noch immer keine validen Daten zum Infektionsrisiko bei Großveranstaltungen“, sagt Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensiv- und Notfallmedizin. „Wir haben uns deswegen Gedanken für einen sicheren Studienaufbau unter realen Bedingungen gemacht.“ Stadien würden sich hervorragend eignen, um Testläufe auch für andere Veranstaltungsorte durchzuführen, so Karagiannidis.

Er schlägt konkret vor, maximal die Hälfte der Sitzplatzkapazitäten für Besucher unter strengen Studienbedingungen und Hygienekonzepten freizugeben. „Bei allen Masken tragenden Zuschauern wird vor dem Zutritt zum Stadion die Temperatur kontaktlos gemessen. Wer eine höhere Körpertemperatur als 38 Grad Celsius hat, muss umkehren. Anschließend bekommen die Personen mit unauffälliger Temperatur einen Schnelltest und einen PCR-Test per Abstrich“, erläutert Karagiannidis. Bei positivem Schnelltest erfolgt eine sofortige Quarantäne. Die Ergebnisse der Tests sollen im Nachhinein vergleichen werden, so der Intensivmediziner. Innerhalb des Stadions sollen die Zuschauer aufgeteilt werden: „Ein Sitzblock bekommt durchgehend FFP2-Masken, ein anderer Block den etwas einfacheren medizinischen Mund-Nasen-Schutz, dessen Schutz aber auch sehr effektiv ist“, sagt Karagiannidis. Zudem würde vor den Rängen die Lautstärke gemessen, um Fangesänge in die Datenanalyse einfließen lassen zu können.

Alle Zuschauer müssten sich bereit erklären, drei Tage nach dem Stadionbesuch wieder einen PCR-Test machen zu lassen. „An diesen Ergebnissen ließe sich ablesen, wie viele Menschen bei negativem Schnelltest trotzdem Corona-positiv waren, wie viele erst nach dem Spiel eine Infektion aufwiesen und wie viele sich möglicherweise im Stadion angesteckt haben“, so Karagiannidis, der als leitender Oberarzt an der Lungenklinik in Köln-Merheim tätig ist.

Er ist sicher: „Der Deutsche Fussball-Bund hat ausreichende Mittel, um einen solchen Studienaufbau zu finanzieren. Er hat ein Eigeninteresse daran, möglichst rasch Zuschauer in Stadien zu lassen.“ Die Finanzierung dürfe nicht beim Steuerzahler liegen, so Karagiannidis. „Wenn wir unter solchen Bedingungen etwas über die Verbreitung des Virus bei Großveranstaltungen lernen, könnten davon auch andere Veranstaltungsbereiche profitieren“, meint Karagiannidis. Ihm sei es ein Anliegen, wesentlich mehr Forschungsergebnisse zur Corona-Pandemie aus Deutschland zu generieren.

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