Nach Todesfall beim "Abkochen" Leichte Ruderer in schwerem Fahrwasser

Frankfurt/Main (sid). Der tragische Tod von Jörn Kerkhoff hat das Leichtgewichtsrudern wieder in Verruf gebracht. Der 24-Jährige war beim Weltcup in München am 1. Juni zusammengebrochen - offensichtlich bei dem Versuch, Gewicht "abzukochen". Trotz Intensivbehandlung war Kerkhoff ins Koma gefallen und am 4. Juni verstorben. Am Freitag wird der Ruderer in Hameln beigesetzt.

"Das ist eine Tragödie. Wir sind alle geschockt", sagt Matt Smith, Generalsekretär des Ruder-Weltverbandes (Fisa). Über mögliche Konsequenzen werde nachgedacht, aber erst nach der Beisetzung und der Kenntnis genauerer Details werde man sich dazu äußern.

Grundsätzlich dürfte das Leichtgewichtsrudern, das seit Jahren selbst in Ruderkreisen um mehr Anerkennung ringt, wohl nicht in Frage gestellt werden. Schließlich hatte Fisa-Präsident Denis Oswald sein ganzes sportpolitisches Gewicht beim Internationalen Olympischen Kommitee (IOC) in die Waagschale geworfen und für den Olympiastatus von drei der zehn leichten Bootsklassen gesorgt. Seit Atlanta 1996 sind der Vierer-ohne-Steuermann und beide Doppelzweier Teil der olympischen Regatta.

Aber die Fisa wird nach dem ersten Unglücksfall in direktem Zusammenhang mit dem nicht ungefährlichen "Gewichtmachen" die Einführung offizieller Sicherheitsstandards überlegen. Diese gibt es momentan nicht. Zur Zeit obliegt es der Verantwortung des Athleten und der nationalen Verbände, das Abnehmen vor den Wettkämpfen in einem gesundheitlich vertretbaren Rahmen zu halten.

Gewicht am Limit halten

Innerhalb des Deutschen Ruderverbandes (DRV) werden die Aktiven zumindest angewiesen, während der Regatta-Saison ihr Gewicht möglichst nah am Limit (Männer: 72,5 kg, Frauen: 59 kg) zu halten.

Doch beim Versuch, das Gewicht zu bringen, kommt es immer wieder zu merkwürdigen Szenen am Rande der Regattastrecken: Bei sommerlichen Temperaturen laufen Athleten in Schwitzanzügen ihre Runden, um ein paar Pfund Übergewicht vor dem Wiegen zu verlieren, das zwei Stunden vor dem Rennen stattfindet. Hinterher wird der Wasserverlust literweise mit Elektrolytgetränken wieder ausgeglichen. Dies nimmt teilweise bedenkliche Ausmaße an, wie nicht zuletzt der tragische Fall Kerkhoff belegt.

"Das ist pervers, dass steht völlig außer Frage", meint Ansgar Wessling. Der Achter-Olympiasieger von 1988 war vor seiner Karriere als "Schwerathlet" auch ein erfolgreicher Leichtgewichtsruderer. Trotz des Unglücks hält Wessling nichts von einer zusätzlichen Reglementierung oder gar einem Verbot des Leichtgewichtsruderns. "Bei aller Tragik: Das hätte schon vor 20 Jahren passieren können. Wahrscheinlich passiert in den nächsten 30 Jahren nichts mehr", sagt Wessling. Unter den Hobbyradfahrern gäbe es mehr tödliche Unfälle.

(RPO Archiv)
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