Droht komplettes Olympia-Aus? Russland ist im Weltsport weitgehend isoliert

Der russische Sport hat eine Desaster-Woche hinter sich. Doch das Riesenreich zeigt keine Reue und reagiert stattdessen wie in Zeiten des Kalten Krieges.

Russische Leichtathleten von Olympia 2016 ausgeschlossen: Reaktionen
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Russische Leichtathleten von Olympia 2016 ausgeschlossen: Reaktionen

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Foto: ap, AZ IS

Die Reaktionen waren der übliche Mix aus Selbstmitleid und Gegen-Angriff. "Das ist natürlich unfair", wetterte Russlands Staatspräsident Wladimir Putin über den Olympia-Ausschluss seiner Leichtathleten für die Spiele in Rio (5. bis 21. August). Sportminister Witali Mutko gar baute nach der Entscheidung des Weltverbandes IAAF gleich Drohgebärden auf: "Wir werden reagieren."

Doch die trotzig-reaktionäre Strategie des Kreml hat offenbar ihre Wirkung verloren. Putins Hoffnung "auf eine Reaktion des IOC", wo sein Freund Thomas Bach als Präsident an den Hebeln der Macht sitzt, zerplatzte jedenfalls schnell. Frühere Seilschaften ziehen nicht mehr, das Riesenreich steht im internationalen Sport weitgehend isoliert da und muss sich sogar noch darauf gefasst machen, dass womöglich seine sämtlichen Sportler für Rio gesperrt werden.

Als nahezu unbelehrbar erwies sich der russische Bär in den letzten Monaten. Statt nach der IAAF-Sperre vom vergangenen November in Folge des Reports der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) einen Neuanfang zu starten, blieb die Vertuschungs-Mentalität in dem autokratisch geführten Sportsystem unverändert. Der Bann konnte von der IAAF nur bestätigt werden, und die Folgen sind eklatant. "Die internationale Leichtathletik hat Russland verstümmelt", schrieb die italienische Zeitung La Stampa.

Töne der Selbstkritik indes waren aus Russland nicht zu vernehmen, stattdessen wird die Schuld woanders gesucht. "Der Sport ist politisiert worden. Wir sind dadurch Geiseln geworden, und darum dürfen russische Leichtathleten nicht bei Olympia starten", kommentierte Dimitrij Swischtschew, Präsident des Sportkomitees im russischen Unterhaus (Duma), den Rauswurf der Athleten.

Hooligans stellen Russland weiter ins Abseits

Ähnlich hatten nur wenige Tage zuvor schon Russlands Reaktionen auf die Prügelattacken russischer Hooligans bei der Fußball-EM in Frankreich geklungen. "Ich kann nichts Schlimmes an kämpfenden Fans finden. Eher im Gegenteil. Bravo, Jungs. Macht weiter so", hatte Igor Lebedew, Vorstandsmitglied des Verbandes RFS, gemeint. Die Europäische Fußball-Union (Uefa) sah das anders, die Strafe folgte auf dem Fuße: Ausschluss der russischen Mannschaft auf Bewährung sowie Geldstrafe.

Kein Wunder, dass angesichts einer gewaltpropagierenden Haltung oberster Funktionäre in anderen Ländern Angst vor der Austragung der Fußball-WM 2018 in Russland aufkommt. "Es muss erkennbare Schritte für eine friedliche WM geben, damit sich Fans und Gäste wirklich willkommen fühlen können", forderte der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann am Wochenende den Fußball-Weltverband Fifa zur Einflussnahme auf den nächsten WM-Gastgeber auf.

Frühere Groß-Events in Russland sind schon in ein schlechtes Licht geraten. Dazu gehört auch die Schwimm-WM 2015 in Kasan. Die FAZ hatte am Freitag über angebliche Angebote ehemaliger russischer Anti-Doping-Funktionäre berichtet, die gegen Geldzahlungen Top-Schwimmer aus dem russischen Testpool nehmen wollten. Was lief also noch alles ab in Kasan? Der Weltverband FINA hat schon hellhörig reagiert und gegebenenfalls disziplinarische Schritte angekündigt. Doch offenbar ignorieren die russischen Autoritäten die immer prekärer werdende Situation.

Allerdings könnte sich die Lage spätestens am 15. Juli mit der Veröffentlichung des McLaren-Berichts über die Manipulationen von Doping-Proben bei Olympia 2014 im russischen Sotschi grundlegend ändern. Sollten sich die Aussagen von Whistleblower Gregori Rodtschenkow bewahrheiten, dass mehrere Dutzend Sportler des Gastgeberlandes gedopt waren und ihre Kontrollen ausgetauscht wurden, droht neues Ungemach. Das IOC dürfte es dann schwer haben, anderen Ländern zu erklären, warum sie in Rio noch gegen russische Athleten antreten müssen.

(sid)
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