„Bin nicht der, für den Sie mich halten“ Olympiasieger Mohamed Farah lebt unter falschem Namen

London · Der britische Langstreckenläufer und vierfache Olympiasieger Mohamed Farah hat enthüllt, dass er unter falschem Namen lebt. Als Kind sei der aus Somalia stammende 39-Jährige illegal in das Vereinigte Königreich gebracht worden.

  Mo Farah.

Mo Farah.

Foto: AFP/MARTIN BUREAU

Hellblaues Hemd, die Ärmel lässig hochgekrempelt, fester Blick direkt in die Kamera - dann verkündet der Lauf-Star die schockierenden Wahrheit: „Die meisten Leute kennen mich als Mo Farah. Aber das ist nicht mein Name, das ist nicht die Wirklichkeit.“ Lange hat der viermalige Olympiasieger die Wahrheit verschwiegen, unter falscher Identität gelebt. Doch nun erzählt er seine tragische Geschichte.

Und die beginnt im Norden von Somalia, wo er als Hussein Abdi Kahin geboren wurde, wie Farah in einer BBC-Dokumentation berichtet. „Als ich vier Jahre alt war, wurde mein Vater im Bürgerkrieg umgebracht“, sagt er und stockt kurz, zu schmerzhaft ist die Erinnerung: „Meine Familie wurde auseinandergerissen.“

Olympiasieger Mo Farah zum Ritter geschlagen
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Mo Farah zum Ritter geschlagen

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Foto: dpa, lis abl

Was der 39-Jährige dann schildert, hört sich an wie ein Albtraum. Im Alter von acht oder neun Jahren habe ihn eine Frau, die er vorher nie gesehen habe, illegal nach Großbritannien geschleust. Sie habe ihm erzählt, er würde nach Europa reisen, um dort bei Verwandten zu leben. Mit falschen Dokumenten trat er die Reise ins Ungewisse an. Neben seinem Foto prangte der Name, unter dem er später zum Weltstar der Leichtathletik werden sollte: Mohamed Farah.

Angekommen in Hounslow, im Westen von London, zerriss die ihm Unbekannte jedoch das Blatt mit den Kontaktdaten seiner Verwandten: „Ab dem Moment wusste ich, dass ich in Schwierigkeiten bin“, erinnert sich Farah. Er musste sich fortan um die Kinder der Frau kümmern, die ihm gedroht habe: „Sie sagte, wenn du jemals deine Familie wieder sehen willst, sagst du nichts.“

Oft habe er sich im Badezimmer eingeschlossen und geweint. „Niemand war da, um mir zu helfen. Nach einer Weile habe ich gelernt, einfach nicht mehr diese Emotionen zu haben.“

Doch dann ein Hoffnungsschimmer: Mit etwa 12 Jahren durfte er die Schule besuchen und entdeckte dort seine Leidenschaft für das Laufen. Das Talent des Jungen blieb auch seinem damaligen Sportlehrer Alan Watkinson nicht verborgen, dem sich Farah irgendwann anvertraute.

Mit Hilfe von Watkinson kam Farah zu einer anderen Familie, erlangte im Juli 2000 die britische Staatsbürgerschaft. Zehn Jahre später lief er zu seiner ersten von fünf EM-Goldmedaillen. Über die 10.000 und 5000 Meter sammelte „Sir Mo“, der 2017 von Queen Elizabeth II zum Ritter geschlagen wurde, in den folgenden Jahren unter anderem viermal Olympia- und sechsmal WM-Gold.

Um seine Staatsbürgerschaft muss sich die britische Lauf-Ikone nach den Enthüllungen keine Sorgen machen. Wie ein Sprecher des Innenministeriums am Dienstag mitteilte, werden „keinerlei Maßnahmen gegen Sir Mo ergriffen“.

Warum dieser seine Geschichte jetzt erzählt? Seine Kinder hätten ihn dazu motiviert. Er wolle sich „normal fühlen“ und außerdem auf Menschenhandel aufmerksam machen. Er selbst habe Glück gehabt, sagt Farah: „Was mich wirklich gerettet hat, was mich anders gemacht hat, war, dass ich laufen konnte.“

(dpa/sid)
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