Diskussionen um deutschen Weitsprung-Meister Rehm würde EM-Start nicht einklagen

Düsseldorf · Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) wird seinen Kader für die EM in Zürich (12. bis 17. August) nicht schon am Dienstag, sondern erst am Mittwoch bekannt geben. Damit haben die Leistungsdiagnostiker und Biomechaniker am Olympiastützpunkt etwas mehr Zeit für ihre Analyse. Gesucht wird die Antwort auf die Frage, ob Markus Rehm, Weitsprungsieger bei den deutschen Meisterschaften in Ulm, durch seine Unterschenkelprothese einen Vorteil im Vergleich zu den nichtbehinderten Athleten hatte.

Markus Rehm sensationell deutscher Weitsprung-Meister
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Behinderter Rehm sensationell deutscher Weitsprung-Meister

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Foto: dpa, shp hak

Die Wissenschaftler aus Frankfurt am Main sammeln schon seit vielen Jahren Daten bei Wettkämpfen. Ob ihre Ergebnisse aber alle Facetten dieses komplizierten Falles abdecken können, scheint fraglich. Weitere, noch breiter gefächerte Untersuchungen müssen und werden wohl noch folgen, will man dieses Thema umfassend abarbeiten. In Ulm ging es vor allem um die Beschreibung der Bewegung, um Anlauftempo, Körperposition, Energien, die der Körper vor und nach dem Absprung besitzt. Die Daten werden mit jenen anderer Springer verglichen, aber auch mit Rehms früheren Sprüngen. Sind die am Absprungbalken erzeugten Kräfte vergleichbar? Wie wirkt es sich auf Knie- und Hüftgelenk aus? Das sind andere wichtige Fragen, für deren Beantwortung in Ulm aber keine Daten gesammelt werden konnten.

Würde Rehm mit seinem biologischen Bein abspringen oder hätte er die EM-Norm von 8,05 Meter verpasst, wäre die Prothesen-Diskussion wohl nicht aufgekommen. Der 25-Jährige landete aber bei 8,24 Meter. Nur vier Europäer sprangen in dieser Saison weiter als der Paralympics-Sieger von 2012. Auf rechtliche Schritte will er verzichten, wenn er nicht für die EM der Nichtbehinderten nominiert wird. "Ich habe keine große Lust, die Teilnahme einzuklagen", sagte der Athlet, der in Leverkusen von Speerwurf-Olympiasiegerin Steffi Nerius trainiert wird.

Der DLV hat sich unter Druck gesetzt, weil er den Weitspringer offenbar unterschätzte. Schon vor einem Jahr, als Rehm sich auf 7,95 Meter verbesserte, war abzusehen, in welchen Bereich er vordringen kann. Ein an der Sporthochschule (DSHS) in Köln vorgesehenes Gutachten kam aber nicht zustande.

Die Kölner haben die Erfahrung, die Geräte und die Spezialisten für umfassende Untersuchungsreihen, die nicht preiswert sind. 2007 wurde an der DSHS der Prothesenläufer Oscar Pistorius getestet. Die Ergebnisse waren eine Grundlage für die Zulassung bei den Nichtbehinderten, die der Südafrikaner vor Gericht erstritt.

Die Vergleichbarkeit der Leistungen ist das oberste Gebot. Ist eine nur für diesen speziellen Zweck konstruierte Karbon-Prothese effektiver als ein Bein, das etwa auch Richtungsänderungen meistern, das Balancieren und Stehen ermöglichen muss? Die Antwort wird nicht nur Rehm interessieren.

(RP)
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