Dutkiewicz überrascht Hürdensprint ins Rampenlicht

London · Pamela Dutkiewicz holt in einem furiosen Rennen über 100 Meter Hürden unerwartet die Bronzemedaille.

Leichtathletik-WM: Pamela Dutkiewicz steht auf dem Treppchen
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Dutkiewicz steht auf dem Treppchen

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Foto: ap, FO

Ja, gab Pamela Dutkiewicz hinterher zu, sie habe sich vor dem Finale schon Jubelszenen auf dem Podium ausgemalt. "Die Bilder habe ich aber schnell wieder weggeschoben. Denn so funktioniert es nicht, sich voll aufs Rennen zu fokussieren", sagte die Hürdensprinterin des TV Wattenscheid. Andersherum wurde aber ein Schuh draus, denn die 25-Jährige sicherte sich in einem furiosen Rennen Bronze über 100 Meter Hürden bei den Leichtathletik-Weltmeisterschaften in London und brauchte sich deswegen kein Podiums-Szenario mehr auszumalen, sondern durfte es bei der Siegerehrung ganz real erleben. "Ich bin so dankbar, dass ich alle meine Gedanken beisammen hatte. Besser hätte es nicht laufen können", sagte sie.

Für Dutkiewicz ist der Sprint ins Rampenlicht der Welt-Leichtathletik der vorläufige Höhepunkt eines sportlichen Lebenslaufs, bei dem ihr nicht immer alles in den Schoß fiel. Besonders der eigene Körper erwies sich jahrelang als Gegner der eigenen Bemühungen im Leistungssport. Seit der Pubertät, seit dem Wechsel aus Baunatal ins Wattenscheider Sportinternat 2007, so erzählte es Dutkiewicz unlängst einmal ganz offen, plagten sie Gewichtsprobleme. Einmal habe sie mitgekriegt, wie sie ein Betreuer "die Pummelige" genannt habe. Dabei versuchte sie mit allen möglichen Tricks und Ernährungsplänen, die Kilos in den Griff zu bekommen, doch lange ohne Erfolg. Sie habe immer Angst gehabt, was für ein Foto am nächsten Tag in der Zeitung abgedruckt werde und ob da irgendwo der Speck herausgucke, verriet Dutkiewicz.

Es ist eine kleine Ironie des Schicksals, dass es erst einer schweren Verletzung bedurfte, damit sie merkte, wie sie ihren Körper kontrollieren kann. Bei der Deutschen Hallenmeisterschaft 2015 in Karlsruhe knickte sie beim Auslaufen so unglücklich um, dass sie sich in beiden Sprunggelenken alle möglichen Bänder riss. "Ich erinnere mich, wie ich da auf der Bahn liege und wie viele Kilos da zu viel rumliegen", erklärte sie.

Die folgende, sechsmonatige Zwangspause sollte sich indes als Glücksfall erweisen. Über Umwege gelangte sie an den ehemaligen Weltklasse-Schwimmer und heutigen Arzt Mark Warnecke, der inzwischen ein eigenes Ernährungsprogramm vertreibt. Seine Methode schlug an, Dutkiewicz nahm zehn Kilo ab. Auch die Arbeit mit einer Sportpsychologin trug Früchte. Und so konnte sie, die viel Wert auf ihr Äußeres legt, sich fortan voll auf das Wesentliche vor einem Rennen konzentrieren: das Rennen selbst. "Im Sprint entscheidet deine Körpersprache. Wie trittst du auf? Was strahlst du aus?", erklärt die Studentin der Technischen Universität Dortmund. Grundschullehrerin will sie einmal werden.

Doch erst einmal setzt die Tochter eines polnischen Ex-Fußballprofis und einer früheren polnischen 800-Meter-Meisterin voll auf den Sport. Zu Recht, wie die Medaille von London zeigt, wo sie in einem hochklassigen Endlauf stärker eingeschätzte Konkurrentinnen hinter sich lassen konnte. "Ich hatte mir ein Flow-Erlebnis gewünscht. Das kann man nicht steuern, es kommt selten vor", sagte "Pam", wie sie genannt wird, später. "Von außen habe ich die Hoffnung auf eine Medaille wahrgenommen. Aber ich glaube, ich bin damit gut umgegangen."

Dutkiewicz' Bronzemedaille sichert ihr auch deswegen eine große Resonanz, weil eine Medaille für deutsche Athleten in einer Laufdisziplin nach wie vor etwas Besonderes ist. Dass von den wenigen Medaillen, die für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) bei den internationalen Großereignissen abfallen, fast alle von Werfern, Kugelstoßern oder Springern geholt werden, hat der Zuschauer gelernt. Wenn es daher Edelmetall auf der Rundbahn gibt, ist das Aha umso größer, weil hier die globale Konkurrenz noch einmal eine ganz andere ist. Zum Hintergrund: In diesem Jahrzehnt ist Dutkiewicz' Bronze erst die dritte Medaille für den DLV in einer Laufdisziplin bei WM oder Olympischen Spielen. Vor ihr gewann Cindy Roleder bei der WM 2015 in Peking Silber über die 100 Meter Hürden, und Gesa Felicitas Krause stürmte im selben Jahr zu WM-Bronze über 3000 Meter Hindernis. Nun also gehören Dutkiewicz die Schlagzeilen.

Und es ist auch durchaus davon auszugehen, dass Dutkiewicz diesmal ganz freudig gespannt war, was für Fotos von ihrem Auftritt in London in der Zeitung erscheinen würden.

(klü)
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